Zum Hauptinhalt springen

Eine neue Perspektive für junge Flüchtlinge

Von Richard Walde

Politik

Mit dem Jugendcollege wird im Oktober eine Bildungseinrichtung eröffnet. Die Organisatoren und Netzwerkpartner freuen sich schon sehr darauf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Ein Jugendcollege soll jungen Flüchtlingen zwischen 15 und 21 Jahren helfen, doch noch eine angemessene Bildung zu erhalten. Wenn Asylwerber nach dem Ende der Schulpflicht nach Österreich kommen, haben sie oft keine Chance mehr, wieder ins Bildungssystem eingegliedert zu werden. Also wurde eine Lösung gesucht, gefunden und am Mittwoch dieses neue Bildungsprojekt vorgestellt. Es soll "die Lücke zwischen Schulbildung und Arbeitsmarktaufgaben schließen", sagte Sandra Frauenberger, Stadträtin für Jugend, Bildung und Integration. Mario Rieder spricht von einer "modernen Schule mit individueller Bildungsplanung". Er ist Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen und gleichzeitig ein Leiter des Projektes.

Die Zuweisung zum Jugendcollege findet im Falle von Asylberechtigten über das Arbeitsmarktservice (AMS) statt oder im Fall von Asylwerbern - die neben dem fehlenden Schulanspruch auch keinen Anspruch auf Betreuung durch das AMS haben - über den Fonds Soziales Wien (FSW) statt. Schon hier wird darauf geschaut, "welche Jugendlichen die richtigen für das Projekt" sind. Das teilte Petra Draxl, die Geschäftsführerin des AMS Wien, mit.

Zu Beginn wird überprüft, wie gut die Collegebesucher Deutsch sprechen. Außerdem wird ihnen die europäische Kultur nähergebracht. Danach starten die Teenager mit einer achtwöchigen Lernphase entsprechend ihren vorhandenen Kompetenzen. "Je nach Lernbedarf steigen die Teilnehmer auf unterschiedlichen Niveaus ein", sagt Rieder. Jugendliche mit größerem Potenzial erlernen gleich höhere Sprachniveaus. Zusätzlich zur Sprache werden in allen drei Stufen auch EDV-Kenntnisse vermittelt.

Dazu gibt es Spezialmodule, die je nach Interesse oder Bedürfnissen gewählt werden müssen. Mathematik und Englisch dienen dabei zur Vorbereitung auf einen Schuleinstieg. Außerdem können Politische Bildung, Länderkunde und Sozialkompetenzen gewählt werden. Der Unterricht ist in verschiedene Abschnitte eingeteilt, wobei eine Unterrichtsphase acht Wochen mit je 20 Wochenstunden umfasst.

Vollbetrieb ab Oktober

Zusätzlich zum eigentlichen Lernen gibt es diverse Zusatzprogramme. Ein Buddy-System soll Neueinsteigern ein rasches Zurechtfinden ermöglichen. Sie werden von bereits im Projekt integrierten Personen unterstützt. Exkursionen dienen der Förderung sozialer Kompetenzen. Ehrenamtliche Mitarbeiter aus verschiedenen Organisationen helfen beim Lernen. Im späteren Bildungsverlauf können dann berufsberatende Gespräche in Anspruch genommen werden. Außerdem ist eine pädagogische und psychologische Unterstützung geplant.

Die ersten Aufnahmegespräche finden derzeit schon statt. Bis Ende August werden 700 Jugendliche ausgewählt. Das erfolgt durch 25 Trainer und Berater. Die jungen Erwachsenen werden dabei in zweitägigen Gruppenveranstaltungen und Einzelgesprächen getestet. Im September folgen dann weitere 300 Personen. Mit Oktober wird der komplette Betrieb aufgenommen.

Da die Dauer des Collegeaufenthalts unterschiedlich ist, kommt pro abgehendem Jugendlichen ein neuer hinzu. So werden immer 1000 Jugendliche am College beschäftigt. Man rechnet damit, dass ein durchschnittlicher Jugendlicher neun Monate an der Bildungseinrichtung bleiben wird.

Stationiert wird das Jugendcollege an zwei Standorten. Schon jetzt steht fest, dass ein Teil in der Spitalgasse in Wien Alsergrund stattfinden wird. Zudem ist ein Standort in Favoriten in Planung.

Bei der Stadt Wien erklärte man, dass man das Jugendcollege nicht als optional erachte: "Wir machen ein Angebot und setzen auf die verpflichtende Annahme dieser Angebote", heißt es von Seiten Sonja Wehselys, Stadträtin für Soziales und Generationen. Das heißt, dass jede Ablehnung einer Maßnahme des AMS - und dazu zählt das Jugendcollege - zu einer Kürzung der Sozialleistungen führt. Das gelte auch bei Minderjährigen, nur kürze man hier das Geld der Erziehungsberechtigten.

Damit das ganze Bildungsprojekt überhaupt funktionieren kann, benötigt man eine finanzielle Förderung. Insgesamt sechs Millionen Euro jährlich werden eingesetzt. Davon erfolgt ein Zuschuss in Höhe von drei Millionen Euro durch Mittel des Europäischen Sozialfonds. Zudem wird das College durch neun Netzwerkpartner unter anderem personell unterstützt. Wie lange das Jugendcollege stattfinden wird, steht noch nicht fest. "Wir haben erst einmal bis 2020 geplant", sagte Draxl.