Mitarbeiter am Gewinn beteiligen. | Pflegegeld statt Wohnbauförderung. | Wien. Nein, feige Politiker und Unternehmenschefs mag er nach wie vor nicht. Claus Raidl hat seine Vorschläge zur Steuerreform und zur Beseitigung der "sozialen Asymmetrie" in der Entwicklung der Arbeits- und Kapitaleinkommen deshalb auch noch nicht im Detail mit den immer wieder um Rat fragenden Politikern abgesprochen, bevor er sie im "Klub der Wirtschaftspublizisten" in Wien präsentiert. "Ich rede als steirischer Stahlarbeiter", sagt der langjährige Böhler-Uddeholm-Chef, nun als Divisionsvorstand "Edelstahl" in die Voestalpine eingegliedert.
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#Lohnquote sinkt zu stark ab
Für ihn steht fest: Die Steuerreform 2010 muss "ganz massive" Erleichterungen für den sogenannten Mittelstand bringen und insgesamt die Steuerquote drücken - denn in der in den letzten Jahren immer stärker auseinander klaffenden Schere in der Entwicklung der Arbeits- und der Kapitaleinkommen "steckt sehr wohl sozialer Sprengstoff drin" - die Lohnquote sinke tendenziell zu stark.
Raidls Modell im Detail: Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll von derzeit 51.000 auf 78.000, wenn nicht sogar auf 100.000 Euro brutto pro Jahr steigen, der Spitzensteuersatz selbst von 50 auf 45 Prozent gesenkt werden. "Ein Prozentpunkt kostet 100 Millionen Euro", erläuterte Raidl die Faustformel für den entsprechenden Steuerausfall. Im Budget 2007 sei die Lohnsteuer mit 19 Milliarden Euro und die Einkommenssteuer mit 2,7 Milliarden Euro veranschlagt. Die Körperschaftssteuer soll 5,5 Mrd. Euro bringen, die Umsatzsteuer 20,9 Mrd. Euro.
Jene 2,5 Millionen Beschäftigten, die derzeit schon keine Steuer zahlen, sollten durch Senkung ihrer Sozialversicherungsbeiträge entlastet werden.
Zur - "wohl gemerkt: nur teilweisen" Gegenfinanzierung, "schließlich soll die Steuerquote ja unter 40 Prozent sinken" - will Raidl weder Erbschaftsnoch Schenkungs-, noch Vermögenssteuer: "Diese Besteuerungen der Substanz gehören abgeschafft". Statt dessen soll eine "Wertzuwachssteuer" kommen, eine neue Form der Gewinnbesteuerung beim Verkauf von Aktien, Grundstücken oder Firmenanteilen. Diese "Capital Gains Tax" - als Spekulationssteuer in Ansätzen schon vorhanden, wenn man etwa Aktien vor Ablauf eines Jahres wieder verkauft - sollte analog zur Kapitalertragssteuer 25 Prozent des lukrierten Gewinns ausmachen, bei unbefristeter Steuerpflicht.
Die Mitarbeiter sollten sehr wohl stärker am Unternehmen beteiligt werden, meint Raidl. Da das bei nicht börsenotierten Gesellschaften eigentumsrechtlich höchst kompliziert sei, schlägt er eine Gewinnbeteiligung via Prämie vor. Sein Modell bei Böhler in Kapfenberg: "Wir schütten einen bestimmten Prozentsatz des Nachsteuergewinns an die Aktionäre aus. Ebenso sollte ein Anteil von bis zu zehn Prozent in Form von Prämien - und zwar die gleiche fixe Summe pro Kopf für jeden - an die Mitarbeiter gehen".
Altenpflege statt Wohnbauförderung
Weitere Reformvorschläge Raidls: Die Wohnbauförderung sei überholt und sollte abgeschafft oder, besser, zugunsten der Altenpflege umgewidmet werden. "Nach dem Krieg war es sinnvoll, den Wohnbau zu fördern - jetzt wäre es sinnvoll, das Geld - 700 Millionen Euro pro Jahr - in eine Lebensförderung umzuwidmen, um die auf uns zukommenden enormen Belastungen der Altenpflege abzufangen", findet er. "Wenn wir die rund 35.000 illegal tätigen Arbeiterinnen und Arbeiter im Pflegebereich legalisieren, kostet das Geld und das ist den durchschnittlichen Einkommensbeziehern nicht zuzumuten", begründete Raidl seinen Vorschlag.
Im Übrigen würden die - längst nicht mehr zweckgebundenen - Wohnbaufördergelder ja jetzt schon "umgewidmet": der Wohnbaufördertopf sei eine "Schatulle der Landeshauptleute für alles mögliche".