Finanzminister sieht den 21. April nicht als Deadline. | Faymann: Notfalls gegen Gewerkschaft. | Die Bildungsdebatte ist völlig verfahren. Wie die Streitparteien - Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Lehrergewerkschaft - aus dieser für beide Seiten No-win-Situation herauskommen und ob überhaupt, ist völlig offen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die nächste Verhandlungsrunde ist am Montag. Viele erwarten sich sehr wenig davon, steht doch gleichzeitig die Drohung mit dem Protesttag am 23. April im Raum. Dem jüngsten Kompromiss der Unterrichtsministerin haben die Lehrergewerkschafter ja die Forderung entgegengestellt, alle Lehrer in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu stellen. Das wiederum hat Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek auf den Plan gerufen, die das ablehnt. Das würde den Bestrebungen der Regierung, ein einheitliches Dienstrecht zu schaffen, völlig zuwiderlaufen.
Der Vorsitzende der Beamtengewerkschaft GÖD, Fritz Neugebauer, sonst ein streitbarer Verfechter seiner Klientel, hat sich in der bisherigen Auseinandersetzung auffallend zurückgehalten. Es scheint, als würde er seine Reserven für die Rolle des Vermittlers bewahren wollen.
Auch die Regierungsspitze will sich nur ungern in den Streit ziehen lassen. Mit Heranrücken des Ministerrates am Dienstag, in dem sowohl das Budget 2009 und 2010 als auch die Budgetbegleitgesetze beschlossen werden, und der Budgetrede von Finanzminister Josef Pröll am Dienstagnachmittag im Parlament wird der Druck auf Pröll und Bundeskanzler Werner Faymann größer.
Pröll warnte am Freitag seine Regierungskollegin Schmied davor, wegen der Debatte um eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung das Budget platzen zu lassen: "Das wäre unverantwortlich." Auch die übrigen Ressorts würden die Debatten mit ihrer Klientel erst nach der Budgetrede und dem damit verbundenen Bekanntwerden der tatsächlichen Zahlen beginnen. Auch für das Unterrichtsministerium sei der 21. April daher keine Deadline. Denn tatsächlich beschlossen wird das Doppelbudget erst am 29. Mai - viel Zeit, den einen oder anderen Sonderwunsch zu deponieren.
Streitschlichter
Jetzt ist für den Vizekanzler jedenfalls noch die Unterrichtsministerin am Zug. Sollte ihr am Montag "in unter Umständen sehr langen Verhandlungen" keine Einigung mit der Gewerkschaft gelingen, wäre Pröll bereit, sich mit Faymann "gemeinsam mit der Gewerkschaftsspitze" in die Diskussion einzuschalten. Der Finanzminister machte aber neuerlich deutlich, dass er sich von der Lehrergewerkschaft "Bewegung" erwarte, anstatt zu boykottieren. Es heißt auch, dass Pröll am Wochenende "Beichtstuhlgespräche" mit Lehrervertretern haben werde.
Der Bundeskanzler ist von einer Einbindung der Regierungsspitze in diesen Streit nicht sehr angetan. Er reagierte am Freitag reserviert auf Prölls Vorschlag, sich in die Verhandlungen einzuschalten: "Bei Vorverhandlungen übers Scheitern nachzudenken, ist nicht sehr produktiv". Gegenüber der "Wiener Zeitung machte er aber neuerlich deutlich, wo er steht: "Lieber ist mir ein Beschluss mit der Gewerkschaft, aber im Notfall geht es auch gegen sie."
Reformbedarf
Klar ist, dass die Schule einen enormen Reformbedarf hat, der seit vielen Jahrzehnten nur in Zwergerlschritten mit viel Verletzungen der Lehrer angegangen wird. So ist allen im Bildungssystem Tätigen bewusst, dass die Lehrer eine gemeinsame akademische Ausbildung brauchen. Ein erster, halbherziger Schritt wurde ja vor Jahren mit der Gleichstellung zumindest der Pflichtschullehrer (Volksschul- und Hauptschullehrer) gesetzt. Auch das ist nicht ohne Widerstand abgegangen.
Jetzt geht es darum, auch die AHS-Lehrer und die Kindergartenpädagogen miteinzubeziehen. Der Schritt zu einer gemeinsamen Ausbildung wurde aber erschwert, indem man die Pädagogischen Akademien in Pädagogische Hochschulen umgewandelt hat, die übrigens beim Unterrichts- und nicht beim Wissenschaftsministerium ressortieren. Der richtige Schritt wäre gewesen, die Akademien gleich in die Universitäten zu integrieren und eine Ausbildung aller Pädagogen aus einem Guss zu gestalten.
Die Qualität der Lehrer ist nämlich - wie auch eine Studie des Instituts für höhere Studien belegt - bester Garant für eine gute Ausbildung der Kinder. Weg vom überholten Frontalunterricht, kleinere Gruppen, Betreuung der Kinder über Jahre von denselben Lehrern, individuelle Förderung, Ganztagsschulen, gemeinsame Schule der 10- bis 15-Jährigen - alles Schlagwörter, die seit Jahren auf tausenden Seiten von zahllosen Experten produziert wurden.
Zeit nützen
Jetzt sollten sich einmal alle zurücknehmen und einen Kompromiss für zwei Jahre erarbeiten, damit das Budget irgendwie über die Runden gebracht wird - das wird ja wohl auch den Lehrern ein Anliegen sein. Bis dahin gelingt vielleicht ein ganz großer Wurf. Mit anderen Schulgebäuden, anständigen Arbeitsplätzen für die Pädagogen und einem Jahresarbeitszeitmodell für Lehrer, das auch Nachmittage an den Schulen und Aufsicht in den Ferien beinhaltet. Dann könnten Lehrer auch einmal außerhalb der Hochsaison Urlaub nehmen, die vielen völlig ineffizienten Einzelstunden (Chemie, Physik) könnten geblockt werden. Und das größte Konfliktthema in der Familie, die Schule, fiele weg, weil die Kinder in der Schule und nicht von Nachhilfelehrern oder den Eltern betreut werden müssten. Best-Practice-Modelle dafür gibt es - man muss sie nur umsetzen.