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Serbien sieht alle Bedingungen für Start von EU-Verhandlungen erfüllt.
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Brüssel. 383: Für den Kosovo hat diese Zahl eine besondere Bedeutung. Denn schon bald soll es die Vorwahl des Landes sein, wo für Telefongespräche noch immer am Anfang die gleiche Nummer gewählt werden muss wie für den Nachbarn Serbien. Der die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz zwar noch immer nicht anerkennt - aber zu gewissen Zugeständnissen mittlerweile bereit ist. Und wenn es um Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo geht, ist schon die Ankündigung einer späteren Einigung ein Verhandlungserfolg.
So zeigte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach der 16. Runde des in Brüssel moderierten Dialogs zwischen Belgrad und Pristina zufrieden. "Konstruktiv" sei das Gespräch gewesen, das sich bis in die Nacht auf Montag gezogen hatte. Serbiens Premier Ivica Dacic und sein kosovarischer Kollege Hashim Thaci hätten eine Verständigung in den Bereichen Energie und Telekommunikation erzielt.
Bis zu einer Umsetzung wird es freilich noch dauern. Denn fürs Erste bleibe alles gleich, erklärte Dacic serbischen Medien. Frühestens 2015 werde es eine Ausschreibung für einen weiteren Telefonanbieter geben, bis dahin werden Verbindungen zwischen Serbien und dem Kosovo weiterhin als Lokalgespräche verrechnet. Auch die Eigentumsfragen der Energieunternehmen - und die Übernahme der Stromversorgung etwa durch den Kosovo - werden zu einem späteren Zeitpunkt geklärt.
Für Serbien nämlich geht es nicht nur um Einfluss, vor allem im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo. Es geht ebenfalls ums Geld. Denn sowohl Telekom Srbija als auch Stromversorger haben Einkünfte unter anderem aus dem Kosovo. Auf der anderen Seite streicht Belgrad seine bereits getätigten Investitionen hervor. Nach Angaben der Regierung seien nach 2003 in den Bau und die Ausstattung lediglich zweier Kraftwerke in der Nähe von Pristina fast 380 Millionen Euro geflossen.
Kommunalwahlen als Test
Den kosovarischen Behörden hingegen ist es wichtig, die im Norden noch existierenden Parallelstrukturen abzubauen und so im sechsten Jahr der Unabhängigkeit die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zu bekommen. Wie weit diese Bemühungen gediehen sind, wird sich bei den Kommunalwahlen im November zeigen. Die Serben im Norden haben schon mit einem Boykott des Urnengangs gedroht, den Belgrad selbst akzeptieren wird müssen.
Eine Normalisierung der Beziehungen zum Nachbarn ist für Serbien nämlich eine der Bedingungen, die die EU Belgrad stellt, bevor sie Beitrittsverhandlungen mit dem Land aufnimmt. Schon seit einiger Zeit drängen die Serben darauf, und sie kommen einem ihrer wichtigsten außenpolitischen Ziele nun auch stetig näher. Mittlerweile hätten sie überhaupt schon alle Voraussetzungen dafür erfüllt, betonte Premier Dacic: "Niemand kann uns davon abhalten, die Verhandlungen im kommenden Jänner oder sogar früher zu beginnen."
Tatsächlich hatte die bei den Brüsseler Dialogrunden signalisierte Kompromissbereitschaft Belgrads ihre Wirkung nicht verfehlt. Nachdem eine Entscheidung über den Start von Beitrittsgesprächen auf Wunsch einiger Länder immer wieder verschoben worden war, soll es im Dezember so weit sein: Serbien soll den Termin genannt bekommen.
Und seit der Vorwoche schon ist die Anbindung an die Gemeinschaft enger als zuvor. Da ist ein Annäherungsabkommen in Kraft getreten, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken soll. Schon jetzt gehört die Union zu den wichtigsten Handelspartnern des Balkanstaates. Vor drei Jahren, als ein Vorgänger des jetzigen Abkommens geltend wurde, wuchsen die serbischen Exporte in die EU um fast ein Drittel. Noch 2011 betrug der Anstieg laut EU-Angaben fast 15 Prozent. In dem Jahr ist der Handelsüberschuss allein bei landwirtschaftlichen Produkten deutlich gestiegen. Er machte beinahe 500 Millionen Euro aus - zweieinhalb Mal so viel wie 2009.