Zum Hauptinhalt springen

Eine Oma zum Ausborgen

Von Anita Kattinger

Reflexionen

Berufstätige Eltern zermartern sich oft den Kopf über die richtige Betreuung für ihre Kinder. Das "Wiener Journal" stellt Brigitte Göschel und Helga Musil, zwei quirlige Leihomas, vor. Leicht ist die Entscheidung nicht: Wohin mit den lieben Kleinen, wenn Mama und Papa arbeiten? Kindergarten schön und gut, aber den ganzen Tag?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und wer soll dann die Kleinen vom Kindergarten abholen und den Nachmittag gestalten bis Mama und Papa von der Arbeit kommen? Alle Formen professioneller Kinderbetreuung werden demnächst von der Steuer absetzbar. Ein Grund mehr, sich das beliebte Modell der Leihomas und Leihopas genauer anzusehen.

Auf den Spuren von Alfred Böhm

Gut in Erinnerung geblieben sind uns die heiteren Episoden von Waldemar Herzog alias Alfred Böhm aus der Erfolgsserie "Der Leihopa". Egal, ob Spaziergänge oder Kinder-Partys, der sympathische Pensionist kümmerte sich um seine Schützlinge. Genauso wie die Wienerin Brigitte Göschel vom "Oma-Dienst" der Erzdiözese Wien. Seit 2,5 Jahren ist die 67-Jährige jetzt in Pension. Genauso lang verdient sie sich als Leihoma ein Zubrot. Mit der viermonatigen Antonia verläuft das Babysitting noch relativ ruhig ab: bis auf Füttern und ausgedehnte Spaziergänge mit Kinderwagen steht nichts am Tagesprogramm. In der Zwischenzeit kann dafür Mama Anastasia ihren Erledigungen nachgehen oder auch eine kleine Verschnaufpause einschieben. Leihoma Göschel: "Mit Kindern bleibt man aktiv und der Geist fit. Mein Enkelkind ist schon zehn, da wird meine Hilfe leider nicht gebraucht."

Leihoma macht im Mutter-Kind-Kurs mit

Die kommunikative Wienerin und ihr Enkerl dürften aber auch im Musikgeschmack nicht kompatibel sein: "Als leidenschaftliche Opernnärrin war ich schon 10 Mal bei den Bayreuther Festspielen." Ihre musikalische Ader kann die zweifache Mutter aber mit Leihenkelin Juliana ausleben. Mit der Eineinhalbjährigen geht es einmal in der Woche in einen Mutter-Kind-Kurs an der Musikhochschule. "Da wird dann geklopft, geklatscht und gesungen." Mit der zehnjährigen Camille geht´s schon hektischer zu: Oma Brigitte Göschel holt sie von der Schule ab, kutschiert sie in die Ballettschule und hilft bei den Hausaufgaben. In Deutsch und Geografie gibt es sowohl für Leihoma Göschel als auch für Camille immer was zu tun.

Wegen der Liebe zu Kindern

Seit sieben Jahren wird Leihoma Helga Musil vom "Dienstleistungszentrum" an Wiener Familien vermittelt. Die Liebe zu Kindern sticht bei der humorvollen 60-jährigen Wienerin besonders hervor: "Seit ich denken kann, passe ich gerne auf Kinder auf. Schon als ich selber ein Kind war, habe ich auf die Nachbarskinder aufgepasst." Die passionierte Boogie-Tänzerin geht mit ihren kleinen Lieblingen am liebsten ins Freie: "Die Kinder sind viel zu viel in den Wohnungen eingesperrt. Und sie sitzen auch zu viel vor dem Fernseher." Eigentlich ist Helga Musil ja gegen Fernsehen: Wenn die Kinder älter sind, gehe ein Kinderfilm jedoch in Ordnung. Besonders wichtig ist der Leihoma, dass der Bewegungsdrang angeregt wird: Purzelbäume, raufen, kitzeln und Ball spielen stehen am Tagesprogramm.

Jedes Kind ist anders

Die siebenjährige Jessica lässt sich vom Übermut der Leihoma gerne anstecken. Wenn nicht mit Bällen gespielt wird, kommt ein Buch mit schönen Bildern zum Zug. "Jedes Kind hat andere Bedürfnisse. Ich habe auch schon mit behinderten Kindern gearbeitet. Da ist Empathie das Wichtigste", so Musil. Wenn gewünscht wird, kocht Musil für ihre Sprösslinge auch was Leckeres: "Meine Spezialität sind Palatschinken. Die erste Palatschinke gelingt bei mir immer!" Den Ausdruck Leihoma hört Helga Musil nicht gerne: "Ich verwehre mich gegen Oma. Ich habe ja auch selber keine Enkel. Ich bin einfach die Helga", lacht sie mit erhobenen Zeigefinger.

Seit 1974 im Leihoma-Geschäft

Schon seit 35 Jahren vermittelt der "Oma-Dienst" mit Sitz in Döbling rüstige Damen an interessierte Familien für eine Vermittlungsgebühr von 45 Euro. Einen "Waldemar Herzog" gibt es nicht im Programm, erklärt Leiterin Andrea Beer. Erstens gebe es kaum Anfragen von Männern und zweitens seien die gesellschaftlichen Ressentiments zu groß, wenn Männer auf kleine Kinder aufpassen. Als Richtwert soll den Leihomas sieben Euro in der Stunde gezahlt werden. Um Anmeldungen bei Finanzamt und Sozialversicherung müssen sich die Leihomas selber kümmern. Der "Oma-Dienst" vermittelt lediglich die Bewerbungsgespräche - eine Auswahl von fünf Omas gibt es in der ersten Runde. Die Erfolgsbilanz der Erzdiözese kann sich jedenfalls sehen lassen: Allein vergangenes Jahr gab es 600 positive Vermittlungen. Insgesamt finden sich 4.800 registrierte Familien in Andrea Beers Datei.

47 professionelle Babysitter

Auch "Dienstleistungszentrum", ein gemeinnütziger Verein des Familienbunds, vermittelt seit sieben Jahren Leihomas. Leiter und Diplomsozialarbeiter Bernhard Laimer verwendet den Begriff Leihoma jedoch nicht gerne: "Erstens weil man auch in der Kindergarten-Pädagogik davon abgeht, Tante zu sagen und zweitens weil die Damen über unseren Verein beschäftigt werden." Verlangt wird also ein höheres, aber noch leistbares Honorar, weil die Damen voll sozialversichert sind. Derzeit liegt das Stunden-Honorar bei 13,5 Euro unter der Woche und 15 Euro am Wochenende. Das Honorar fließt jedoch nicht zwischen Eltern und Leihoma, sondern ausschließlich zwischen Eltern und Organisation. Vermittlungsgebühr gibt es keine. Als gemeinnütziger Verein arbeitet das "Dienstleistungszentrum" zwar kostendeckend, aber nicht gewinnorientiert. Der Personalstand liegt derzeit bei 47 Babysittern. Darunter auch einige Leihomas. Verpflichtend sind für die Frauen nicht nur ein 20-stündiger Kurs für Erste Hilfe und Spiel-Pädagogik, sondern sie müssen auch entsprechende Qualifikationen mitbringen wie Montessori-Ausbildungen oder Kindergarten-Pädagogik.

Bei beiden Vereinen steht das harmonische Familienleben der Leihomas mit den Eltern im Vordergrund. Beim "Oma-Dienst" sollen die Damen mindestens einmal in der Woche zum Einsatz kommen. Beim "Dienstleistungszentrum" mindestens drei Stunden am Stück. Schließlich sollen die Leihomas kein sporadischer Babysitter sein, sondern im Familienverband und in den Herzen der Kleinen einen fixen Platz bekommen.

KONTAKT:Oma-Dienst der Erzdiözese Wien

Hofzeile 10 -12 / 9

1190 Wien

Tel: 01/486 36 68

Montag bis Freitag von 8.30-12.30 Uhr

http://www.familienverband.at/sites/oma.php

E-Mail: omadienst@edw.or.at

Das Dienstleistungszentrum

Neubaugasse 66/2/11

1070 Wien

Tel: 01/ 523 46 01

http://www.dasdienstleistungszentrum.at

Email: dienstleistungszentrum@aon.at

Hilfswerk Wien

bietet eine kostenlose Kontakt-Liste

für Tagesmütter und Leihomas an

http://wien.hilfswerk.at