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Eine Partei schafft sich ab

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die ÖVP entsorgt konsequent ihre einstige Kernkompetenz Wirtschaft und vertreibt ihre einstige Kernklientel, die Wirtschaftstreibenden.


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Sollte die ÖVP gesteigerten Wert darauf legen, auch in der nächsten Gesetzgebungsperiode wieder im Nationalrat vertreten zu sein, wäre sie gut beraten, auf die Abschaffung jener 4-Prozent-Hürde zu drängen, die Kleinstparteien darunter am Einzug ins Parlament hindert.

Denn selten zuvor war in der Zweiten Republik live zu beobachten, wie sich eine Partei, in deren Satzung einmal zu lesen war, dass der Bundeskanzler automatisch auch Parteivorsitzender ist (weil anderes in den 1950ern und 1960ern undenkbar erschien), sich selbst so dermaßen zielgerichtet, effizient und nachhaltig selbst dekonstruiert, wie das die ÖVP nun versucht.

Dass ÖVP-Chef Michael Spindelegger jüngst in einem demoskopischen Befund sogar vom Neos-Chef Matthias Strolz in der Kanzlerfrage deutlich überholt wurde, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die einstige Wirtschaftspartei ÖVP gerade eine Säuberungswelle gegen ihre einstige Kernklientel, nämlich Kleinunternehmer, Selbständige und Gewerbetreibende so entschlossen inszeniert wie früher Fidel Castro jene gegen konterrevolutionäre Elemente auf Kuba.

Sogar Christoph Neumayer, Chef der nicht eben ÖVP-fernen Industriellenvereinigung, ätzt: "Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Industrie, zur Erhöhung der Anzahl von Exportunternehmen ist natürlich erfreulich, wird aber durch die nun beschlossenen (Steuer-)Maßnahmen konterkariert. Die meisten Maßnahmen stärken den Wirtschaftsstandort nicht, sie belasten die Unternehmen zusätzlich, dadurch werden Arbeitsplätze verloren gehen."

Und wenn selbst das Finanzministerium von "wesentlichen Belastungen" der Wirtschaft im Zuge der jüngsten Schröpf-Maßnahmen des schwarzen Finanzministers spricht, kann man ungefähr abschätzen, wie die Stimmung vor allem unter den betroffenen Kleinunternehmern ist. Die werden sich bei der nächsten Wahl mit ziemlicher Sicherheit erkenntlich zeigen dafür, dass ihnen etwa das steuerliche Äquivalent zum 13./14. Monatsgehalt der Unselbständigen nun de facto weitgehend gestrichen wird, so sie etwas besser verdienen.

Dabei gibt sich die vermeintliche Wirtschaftspartei nicht damit zufrieden, diese Gruppe von Erwerbstätigen zu schädigen - sie legt offenbar Wert darauf, diese auch noch zu pflanzen. Nicht anders ist zu erklären, dass etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner diese Steuererhöhung für Selbständige damit entschuldigt, dass sie ohnehin nur bis 2016 befristet sei.

Das ist erstens eher unglaubwürdig, weil einmal eingeführte Steuern nur sehr selten wieder abgeschafft werden; und zweitens ökonomisch irgendwie nicht ganz schlüssig. Denn wenn die partielle Abschaffung des Gewinnfreibetrages volkswirtschaftlich Sinn macht, dann ist nicht argumentierbar, warum sie befristet ist - macht sie aber keinen Sinn, dann macht sie auch bis 2016 befristet keinen Sinn.

Man kann es drehen, wie man will - hier geht es schlicht und einfach darum, Geld für den Staat dort abzugreifen, wo der Widerstand am geringsten ist. Die Volkspartei wird bei den nächsten Wahlen dafür die Rechnung zu bezahlen haben.

ortner@wienerzeitung.at