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Eine pharmazeutische Schatzkammer

Von Kurt de Swaaf

Wissen
Pluchea odorata soll gegen Krebs helfen. Foto: Krupitza/MUW

Österreicher erforschen traditionelle Maya-Heilpflanzen. | Heidelberg. Niemand weiß genau, wie viele Jahrtausende die Itza-Maya schon im Gebiet um den Petén-See im Norden Guatemalas beheimatet sind. Erst 1697 ergaben sie sich als letzte indigene Hochkultur Mittelamerikas nach blutigen Kämpfen den spanischen Kolonialherren. Der dichte Tropenwald hatte dieses Volk lange vor den Invasoren geschützt, die anschließende Unterdrückung war jedoch gnadenlos.


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In den Dreißigern verbot die Militärdiktatur General Ubicos sogar die Sprache der Itza-Maya. Überliefertes Wissen drohte so verloren zu gehen. Inzwischen scheint aber eine Trendwende einzutreten. Man sieht junge Leute, die sich im Internet Maya-Seiten angucken, um sich wieder mit ihrer alten Kultur vertraut zu machen, berichtet der österreichische Botaniker Richard Frisch.

Frisch ist der Gründer des Instituts für Ethnobiologie in San José am Petén-See. Bereits seit 1989 studiert er die traditionelle Heilkunst der Itza-Maya. Der artenreiche Regenwald der Region beherbergt viele Pflanzenspezies, die in der dortigen Volksmedizin Verwendung finden. Ihre Wirkung lässt sich oft wissenschaftlich belegen. Einige besonders interessante Arten wurden nun von den Arbeitsgruppen des Pathologen Georg Krupitza von der Medizinischen Universität Wien bezüglich ihres Potentials gegen Krebszellen untersucht - mit verblüffendem Erfolg.

Bei Extrakten aus drei verschiedenen Gewächsen konnten die Forscher im Labor eine starke krebsbekämpfende Wirkung feststellen. So enthalten z. B. die Blätter des Strauches Pluchea odorata offensichtlich eine oder mehrere Substanzen, die bei bösartig wuchernden Zellen bereits in geringen Dosen Apoptose, eine Art vorprogrammierte Selbstzerstörung, auslösen. Solche Pflanzenstoffe können als Leitsubstanzen für die Entwicklung von Medikamenten dienen, erklärt Georg Krupitza. Bis einsatzfähige Präparate vorliegen, dürften allerdings noch viele Jahren vergehen.

Mittel gegen Bio-Piraterie

Die Studien von Krupitza und Kollegen haben indes nicht nur wissenschaftliche Bedeutung, sie sind auch entwicklungspolitisch relevant: als Mittel gegen die so genannte Bio-Piraterie. In den vergangenen Jahrzehnten haben Pharmakonzerne zunehmend traditionelle Naturheilkunde-Verfahren erforscht und Substanzen bzw. Methoden patentieren lassen. Die Ureinwohner, die solches Wissen seit Generationen bewahren, gehen dabei meist leer aus.

Wenn aber unabhängige Wissenschaftler den Konzernen zuvorkommen, haben statt dessen letztere das nachsehen. Wie bei Pluchea odorata. "Dadurch, dass wir das so publiziert haben, kann es schon kein Anwendungspatent mehr dafür geben", sagt Krupitza. So sind eben die Gesetze.

Sollten sich die Maya-Heilpflanzen für die Herstellung moderner Medikamente eignen, könnten die dort lebenden Menschen mit deren Anbau gutes Geld verdienen, und so selbst von den Kenntnissen ihrer Vorfahren profitieren. Krupitzas Arbeitsgruppe wird auf jeden Fall weitere Pflanzenarten auf ihre mögliche Wirkung gegen Krebs untersuchen.

In Frage kommen dabei solche, die in der Volksmedizin gegen Entzündungen eingesetzt werden, weil die zellbiologischen Vorgänge bei Entzündungsprozessen oft mit denen in Karzinomen identisch sind. Ein Fonds der Gemeinde Wien unterstützt die Forschungsprojekte.

Wer weiß, was im Reich von Ix Chel, der Maya-Göttin der Fruchtbarkeit und der Heilkunst, noch für Überraschungen warten.