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Der dramatische Prozeß der Veränderung der Gesellschaften in den Demokratien Westeuropas hat zu einer Erosion formaldemokratischer Verfahren geführt; die Entwicklung zu mehr individueller
Freiheit, die Differenzierung der Interessen, hat die Gesellschaft brüchig werden lassen. Wissenschaftsminister Caspar Einem beschäftigt sich in seinem Dienstag abend vorgestellten Buch "Ein neuer
Staat befreiter Bürger. Politik für eine veränderte Gesellschaft" mit den geänderten Voraussetzungen der politischen Gestaltung und Lösungsansätzen. Freilich habe er nicht für alle Fragen eindeutige
Antworten, vielmehr wolle er zum Weiternachdenken anregen, erklärte Einem. Der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky, der Einems Auseinandersetzung mit der neuen Gesellschaft bei der Buchpräsentation
kommentierte, zeigte sich einer Meinung mit dem Autor, dass das Politische in der Politik zu stärken sei. "Im neuen Staat befreiter Bürger geht es um inhaltliche Lösungen, geht es darum, daß sich die
Bürgerinnen und Bürger Politik wieder selbst aneignen. Politiker können .... versuchen, offen zu legen, wofür sie stehen und sie können durch ihren Weg Orientierung bieten und mitunter Vertrauen
gewinnen", schreibt Einem. Vertrauen ist für Einem nichts, was zum alten Eisen gehört, es ist besonders in der Politik wichtig, um Sicherheit zu vermitteln.
Das Erstarken von Einzelinteressen gegenüber Gruppeninteressen führe zu Entsolidarisierung. Dennoch brauche eine Gesellschaft emotionalen Kitt. Negativer Solidarisierung · etwa durch Schaffung von
Sündenböcken · stellt Einem positive Solidarisierung gegenüber. Eine friedliche Organisation des Zusammenlebens brauche ein Bildungssystem, das die Fähigkeit zu Solidarität vermittle, zu
Freiheit und Zusammenhalt befähige. Deshalb räumt Einem der Diskussion eines neuen Bildungssystems großen Raum ein. Daneben beschäftigt sich der Minister mit dem Krieg um Jugoslawien, denkt über
friedliche Konfliktlösungen nach und stellt Betrachtungen zu Kuba, Vietnam und Nicaragua an.