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Der OSZE-Vorsitzende kann sich nur persönlich für Krisenmanagement einsetzen, sagt Didier Burkhalter.
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"Wiener Zeitung": Im Jahr 2014 brach die Ukraine-Krise während Ihres OSZE-Vorsitzes aus. Gibt es Erfahrungswerte aus dieser Zeit, die Sie an den österreichischen Vorsitz weitergeben können?Didier Burkhalter: 2014 war ein stürmisches Jahr. Wir waren auf alles vorbereitet, außer auf den Ausbruch einer derartigen Krise. In der OSZE hat man jedoch viele Möglichkeiten, da der amtierende Vorsitzende eine politisch starke Rolle spielt. Darum ist es zu allererst einmal wichtig, dass der Vorsitz nicht als eine nationale Angelegenheit angesehen wird, sondern als eine Möglichkeit die Organisation zu unterstützen, zu stärken und etwas Konkretes beizutragen.
Ich persönlich habe die OSZE als eine Art "doppelte Schweiz" erlebt. In der Schweiz sind wir es gewohnt, Politik zu machen, die auf Konsens und Ausgleich basiert. Sehr oft sind wir verschiedener Meinung, dann arbeiten wir an einem Ausgleich, und am Ende vertreten wir eine gemeinsame Position. Das heißt, man kann nichts entscheiden, ohne vorher alle zu überzeugen und mit allen zu reden. Diese Erkenntnis stimmt für die Schweiz wie für die OSZE.
Ich habe die OSZE auch als eine Organisation erlebt, die mit vergleichsweise geringen Mitteln sehr gute Ergebnisse erzielen kann, vorausgesetzt, man arbeitet hart an einem Konsens. Ich habe miterlebt wie die OSZE im Jahr 2014 innerhalb von drei Monaten sehr flexibel und konkret auf die Ukraine-Krise reagierte, etwa durch die Entsendung der Beobachtermission in die Ukraine.
Können neutrale Staaten wie die Schweiz und Österreich in der OSZE eine spezielle Rolle spielen?
Die Schweiz gehört keiner Verteidigungsallianz an. Das trifft auch auf das neutrale Österreich zu. Jedoch kommen im Falle Österreichs die Spannungen durch die EU-Mitgliedschaft hinzu. Ein noch viel wichtigerer Aspekt in dieser Debatte ist die Notwendigkeit, Vertrauen aufzubauen. Vertrauen kann man nicht einfach so gewinnen. Es braucht jahrelange Aufbauarbeit.
Als die Ukraine-Krise ausbrach und wir als OSZE-Vorsitz darauf reagieren mussten, habe ich persönlich jeden Tag damit verbracht, mit meinen Kontakten zu kommunizieren. Ich nenne das SMS-Diplomatie. Sie müssen wissen, ich koche sehr gerne zu Hause. Ich habe oft Krisendiplomatie betrieben, während meine Tomatensauce vor sich hin kochte. Was ich damit sagen möchte: Die Funktion des OSZE-Vorsitzenden kann von niemand anderem als von ihm oder ihr selbst ausgeführt werden. Der OSZE-Vorsitzende muss sich persönlich für Lösungen einsetzen, das kann ihm niemand abnehmen.
Die Schweiz ist auch engagiert, den laufenden Gesprächen über die konventionelle Rüstungskontrolle neuen Schwung zu verleihen. Wie schätzen Sie die derzeitigen Bemühungen zu diesem Thema innerhalb der OSZE ein?
Die Bedeutung des strukturierten Dialoges innerhalb der OSZE zu militärischen Sicherheitsfragen ist wesentlich. Die Kernfrage ist, ob wir es schaffen, mehr Vertrauen aufzubauen. Denn ohne Vertrauen und ohne ein System der konventionellen Rüstungskontrolle gibt es keine Stabilität in der europäischen Sicherheit und keine Transparenz.
Es ist noch offen, wie genau sich die Gespräche darüber innerhalb der OSZE entwickeln werden. Mir ist wichtig, dass alle 57 OSZE-Staaten mitmachen, auch jene, die derzeit noch etwas misstrauisch sind.
Mit Botschafter Thomas Greminger hat die Schweiz einen vielversprechenden Kandidaten ins Rennen um den OSZE-Generalsekretär geschickt. Es gibt bereits eine politische Abmachung, dass Greminger den Posten übernehmen wird. Was sagen Sie dazu?
Wir haben der OSZE ein Angebot gemacht. Wir wollen für die OSZE Verantwortung übernehmen und der Sache dienen. Für uns hat die OSZE Priorität, da wir an das Prinzip der kooperativen Sicherheit glauben.
Zur Person: Didier Burkhalter ist Außenminister der Schweiz und hatte 2014 den OSZE-Vorsitz inne.