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Eine Premiere ist gefährdet

Von Markus Krah

Europaarchiv

Brüssel/Berlin - Wenn Intendant und Regisseur nicht miteinander reden dürfen und deshalb für das lange geplante Theaterstück keine Proben stattfinden, gerät irgendwann seine Aufführung in Gefahr. In dieser Lage ist das Projekt der "EU-Eingreiftruppe", die im September in Mazedonien ihren ersten Auftritt haben soll.


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Der Einsatz zur Sicherung des Friedensprozesses in Mazedonien ab September sei ein idealer Früh-Start für die Truppe, die die EU eigentlich erst ab 2003 eigenständig militärisch handlungsfähig werden soll. Davon sind die Brüsseler Militärstrategen überzeugt. Einstweilen aber ist die EU in ihren Vorbereitungen für den Einsatz handlungsunfähig, weil das komplizierte Verhältnis zur NATO jeden Fortschritt blockiert. Die EU-Truppe soll eingesetzt werden, wenn sich USA und NATO in einer Krise nicht engagieren wollen. Um teure Doppelstrukturen und den Eindruck zu vermeiden, Europa koppele sich vom Verbündeten USA ab, soll sie aber auf NATO-Einrichtungen und -Personal zurückgreifen.

Doch weil die NATO die erforderliche Zustimmung wegen eines internen Streits nicht erteilen kann, ist die Zusammenarbeit blockiert. Kaum jemand spürt diese Blockade so sehr, wie der deutsche General Dieter Stoeckmann, der stellvertretender Oberkommandeur der NATO-Truppen in Europa (DSACEUR) ist und zugleich Kommandeur künftiger EU-Einsätze sein soll. Die Doppelrolle soll NATO und EU verzahnen, im Moment ist Stoeckmann aber machtlos: "Zurzeit haben wir keinerlei Kontakt mit den EU-Planern auf Grund einer politischen Direktive, die wir zu respektieren haben." Daher planen NATO und EU unkoordiniert, welche Einheiten eingesetzt werden sollen, wie die Truppe auf den Balkan transportiert und wie sie versorgt werden. Sie dürfen wegen der Kontaktsperre ihre Pläne nicht austauschen.

Streit unter Erzrivalen

Dazu müssten die beiden NATO-Staaten und Erzrivalen Türkei und Griechenland ihren Konflikt lösen. Die Türkei will der Nutzung von NATO-Kapazitäten durch die EU nur zustimmen, wenn sie dafür Mitspracherechte bei Militäreinsätzen der EU bekommt, in die das Land will, aber einstweilen nicht aufgenommen wird. Nachdem sie ein Abkommen mit der EU lange blockiert hatte, einigte sie sich Ende letzten Jahres mit den USA und Großbritannien auf ein Papier, das ihr bei EU-Einsätzen vor allem in der Ägäis Mitbestimmungsrechte gibt. Sie sah ihr Gesicht gewahrt, die NATO den Weg frei für das Abkommen. Nun aber lehnt Griechenland das "Ankara-Papier" als einziges Land in EU und NATO ab, weil es dem Rivalen Türkei keinen Erfolg gönnt. Die politische Führung der NATO hat auf Antrag Griechenlands ihren Militärplanern die Kontakte zur EU verboten. Die Bemühungen um eine Lösung des Konflikts laufen auf Hochtouren.

Ein Entschluss in dieser Sache wäre spätestens am EU-Gipfel von Sevillia am 21/22. Juni zu treffen, sind sich Experten einig, sonst wäre der Mazedonien-Einsatz und damit eine historische Premiere ernstlich in Gefahr.