Häupl erhält als Bürgermeister auch Stimmen der ÖVP. | Nicht alle stehen hinter Vassilakou. | Wien. Dicht gefüllte Besucherränge im Gemeinderatssaal des Wiener Rathauses. Prominente Gesichter wie Rudolf Hundstorfer, Heinz-Christian Strache, Eva Glawischnig, Alexander Van der Bellen schauen hinunter auf die frisch angelobten Mandatare - allesamt mit Ansteckern ausgestattet: Die SPÖ mit roten Nelken, die FPÖ mit Kornblumen, die ÖVP mit weißen Rosen und die Grünen mit Spruch-Stickern.
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Noch vor der Wiederwahl von Michael Häupl als Bürgermeister sorgt die Reihung der Vorredner für Verwirrung, was Gemeinderatsvorsitzenden Godwin Schuster zu den Worten "Das fängt ja nicht so gut an" hinreißen lässt.
Dann dauert es keine fünf Minuten, und FPÖ-Klubchef Johann Gudenus handelt sich schon einen Ordnungsruf ein, weil er die Grünen als "linkslinke Anarchos" bezeichnet. Häupl werde "mit der kompletten Verdrehung des Wählerwillens" nicht ein Denkmal, sondern ein Mahnmal setzen, poltert der Neo-Klubobmann unverdrossen weiter.
In Sachen Einwanderungspolitik greife Häupl in den "Mülleimer der Geschichte" und wolle "Multikulti" wiederbeleben. Die neue Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou bezeichnete Gudenus als "verkehrspolitische Geisterfahrerin" und die SPÖ sehe er in "ideologischer Geiselhaft der Grünen". Daher werde die FPÖ - deren Mandatszahl sich nach der -Wahl auf 27 beinahe verdoppelt hat - Häupl nicht bei seiner bereits vierten Wahl zum Bürgermeister nicht unterstützen, so Gudenus.
Verteidigungsschlag
Und schon holt die frischgebackene rot-grüne Koalition in trauter Einigkeit zum Verteidigungsschlag aus: Der grüne Klubchef David Ellensohn bezeichnet die FPÖ als "überflüssige Partei, die in Wien nichts zu sagen hat", und der neue SPÖ-Klubchef Rudolf Schicker betont, "einen freiheitlichen Bürgermeister wird es in Wien nie geben."
Die geheime Wahl beschert Häupl schließlich 65 von 100 Stimmen - die neue Koalition verfügt gemeinsam über 60 Stimmen. Das ist immerhin eine Stimme mehr als noch vor fünf Jahren - und bedeutet weiters, dass Häupl auch die Unterstützung von fünf Abgeordneten der Opposition erhalten hat. Das gibt Standing Ovations von Rot und Grün, immerhin ein paar schwarze Mandatare schließen sich mit Applaus an - sogar Gudenus sieht man als einzigen FP-Mandatar hinter der Bank gedankenverloren in die Hände klatschen. Schließlich werden die Stadträte gekürt und im Anschluss begibt sich der Bürgermeister in die Hofburg, um sich von Bundespräsident Heinz Fischer als Landeshauptmann angeloben zu lassen.
Bei ihrer Wahl zur Vizebürgermeisterin schneidet übrigens Maria Vassilakou mit 59 Stimmen wesentlich schlechter ab als Häupl. Dass sie für ihre Funktion als Verkehrsstadträtin nur 58 Stimmen bekommt, bedeutet für die ÖVP, "dass die zukünftige Stadträtin nicht einmal in den eigenen Reihen volle Akzeptanz findet", so Landesgeschäftsführer Alfred Hoch.
In seiner Regierungserklärung betont Häupl, dass es sich bei der Koalition um eine Premiere handelt: Beide Parteien stünden für soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität, ein friedliches Zusammenleben mit einer gemeinsamen Sprache, beste Zukunfts- und Bildungschancen für alle und eine ökologische Modernisierung vor allem in Energiefragen.
Man werde in den kommenden fünf Jahren auf dem "Prüfstand" der Wiener stehen, so Häupl.
Vassilakou versichert in ihrer ersten Rede als Vizebürgermeisterin und Stadträtin, auch in Zukunft offen für Kritik, Kontroverse und Dialog zu sein: "Das werde ich gerne und mit Leidenschaft suchen, denn gerade da entstehen viele Ideen und Anregungen."
Heftige Marek-Kritik
In der konstituierenden Sitzung des Landtages wird dann am Nachmittag über die Wahlrechtsreform debattiert, welche FPÖ und ÖVP in einen gemeinsamen Antrag fordern. In diesem Zusammenhang übt ÖVP-Klubchefin Christine Marek heftige Kritik an den Grünen: Denn erst im Frühjahr hätten diese gemeinsam mit ÖVP und FPÖ einen Notariatsakt zur Reform des Wahlrechts unterzeichnet - den sie nun als Regierungspartei nicht mehr mittragen wollen. Und zwar mit der Begründung, dass es ohnehin eine Arbeitsgruppe mit der SPÖ dazu gebe. Das Regierungsprogramm von Rot-Grün bezeichnet Marek schlicht als "roten Stillstand in grüner Verpackung".