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Diplomatische Akademie in Wien: Perspektiven des Rechtspluralismus. | Wien. Viel Kritik erntete Rowan Williams, anglo-amerikanischer Erzbischof von Canterbury, für den Vorschlag, Teile des islamischen Rechts in das britische Rechtswesen einzugliedern.
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Dass seine Idee auch von Juristen diskutiert wird, zeigte eine Konferenz der Wiener Diplomatischen Akademie von 25. bis 26. April. Unter dem Titel "Familie, Gesetz und Religion" kamen Chancen, aber auch Risken des Rechtspluralismus zur Sprache.
Richard Potz, Universitätsprofessor an der Uni Wien, findet den Gedanken, dass verschiedene Rechtssysteme nebeneinander bestehen, gar nicht so abwegig. Migrationsströme, die Zunahme "selbst-regulierender Lebensbereiche" und moderne Kommunikationstechnologien könnten einen Rechtspluralismus sogar erforderlich machen, meinte er.
Kritiker sehen hierin allerdings eine Vermischung des Rechtsbegriffs mit sozialen Phänomenen. Gerade die Rechtsprechung solle eben auf der Anwendung abstrakter Normen beruhen, während etwa traditionelle Einrichtungen der Wiederherstellung sozialer Beziehungen dienen.
Malaysia dürfte das einzige Land mit pluralistischer Rechtsordnung sein. Die Verfassung ist säkular, bei familiären Streitigkeiten wendet sich die malaysianische Bevölkerungsgruppe aber an lokale Dorfgerichte, die auf islamischer Grundlage entscheiden.
Die in Malaysia lebenden Chinesen - sie machen 35 Prozent der Gesamtbevölkerung aus - wenden sich hingegen an zivile Gerichte. Nach Meinung des Schweizer Sozialanthropologen Christian Giordano von der Universität Fribourg ist das ein Sonderweg, der auf andere Staaten nicht anwendbar ist.
Menschenrechte versus islamisches Recht
Bei vielen westlichen Beobachtern löst der Rechtspluralismus wegen einer möglichen Einschränkung der Menschenrechte Unbehagen aus. So werden insbesondere im islamischen Recht die Stellung der Frau und das Erbschaftsrecht kritisiert.
Muslimische Gastredner betonten wiederum, dass sich oft lokales Gewohnheitsrecht und patriarchalische Strukturen mit dem islamischen Gesetz vermischen würden. Darüber hinaus forderten sie von den westlichen Ländern, sich eher auf politischer Ebene um die Menschenrechte zu kümmern, statt in das soziale islamische Gesellschaftsgefüge einzugreifen.