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Eine Probezeit für Griechenland

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Bisher waren Sarkozy und Merkel selten einig - jetzt plädieren beide für den Rat als Wirtschaftsregierung. Foto: belga

Papandreou nach EU-Gipfel enttäuscht. | Kritik von EZB, Gerangel um IWF. | Merkel, Sarkozy wollen Wirtschafts regierung. | Brüssel. Der Weg zu den angekündigten Rettungsmaßnahmen für das kaputte Griechenland war eine erste Bewährungsprobe für die Staats- und Regierungschefs unter der neuen Rechtsgrundlage des Lissabonner Vertrags. | Analyse - die Schuldenkrise kam rascher als befürchtet


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Nach heftigem diplomatischen Vorspiel konnte unter der Leitung des EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy eine recht glatte Lösung gefunden werden: Da die Zeit für direkte Hilfsaktionen noch nicht gekommen sei, mussten keine potenziell EU-rechtswidrigen Finanzspritzen gezückt werden.

Doch trotz der eindeutigen politischen Unterstützung für Griechenland konnte der Abwärtstrend des Euro vorerst nicht gebremst werden - entsprechend unzufrieden gab sich am Freitag der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou, der die mangelnde Koordination in der EU kritisierte: "Zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten, der Europäischen Zentralbank (EZB) und sogar innerhalb dieser Institutionen gab es verschiedene Ansichten." Das habe der Position Griechenlands an den Märkten nicht geholfen. "Wir sind weder politisch noch wirtschaftlich eine Supermacht, die diesen Kampf alleine kämpfen kann", mahnte Papandreou.

Die Kosten verschleiern

Doch genau das verlangte der Europäische Rat vorerst von Griechenland, und zwar unter strikter Überwachung der Finanz- und Wirtschaftspolitik durch die EU-Kommission und die EZB. Die Zentralbanker wurden hinzugezogen, um die Kontrolle noch glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Das dürfte eine Idee der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen sein, die offenbar mit aller Kraft verschleiern will, dass Deutschland und Frankreich den Löwenanteil der Zeche am Ende zahlen müssen, wenn die Griechen tatsächlich baden gehen. Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde am Ende in der Gipfelerklärung verewigt: Auf seine umfangreiche Erfahrungen mit Pleiteländern soll bei der monatlichen Überprüfung der griechischen Anstrengungen zurückgegriffen werden. Nach dem IWF hatten einige Südländer, die Polen und die Briten gerufen - aus unterschiedlichen Gründen. Die einen leiten aus der massiven Aufstockung des EU-Beitrags zu den IWF-Nothilfefonds den Rückschluss ab, dieser sollte in der Krise gefälligst auch Euroländern zur Verfügung gestellt werden. Und London sieht in der Einbeziehung seiner transatlantischen Partner wohl eine willkommene Provokation gegenüber der EZB, deren politische Unabhängigkeit und Euro-Hoheit durch IWF-Vorgaben böse Kratzer bekommen könnte. Das ist genau der Grund, warum ein finanzielles Engagement des Fonds in der Eurozone von deren führenden Mitgliedstaaten strikt abgelehnt wurde.

Und die Überwachungsübung könnte schon durch die Einbeziehung der EZB schwieriger werden: Deren Chefvolkswirt Jürgen Stark meldete heftige Kritik an den Sparplänen Athens an. Diese gingen nicht weit genug, sagte er zum Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Es wird mehr nötig sein angesichts der deutlichen Verschlechterung der Lage." Die Kommission wiegelte ab; schon im März will sie mit der EZB ihren ersten Evaluierungsbericht abliefern. Dann soll über eventuell nötige Nachjustierungen entschieden werden.

Deutschland und Frankreich gehen auch bei der Neuordnung der europäischen Wirtschaftspolitik voran, mit der künftige Staatspleiten verhindert werden sollen. In einer bemerkenswerten Trendwende sprachen sich sowohl Merkel als auch Sarkozy dafür aus, dass der Europäische Rat als Lehre aus der Krise künftig auch die Aufgabe einer EU-Wirtschaftsregierung übernehmen solle.

Typischer Kompromiss

Die Union müsse besser zusammenarbeiten und nach außen vertreten werden, sagte die deutsche Kanzlerin: "Das bedeutet, dass wir Staats- und Regierungschefs uns als eine Wirtschaftsregierung der 27 Staaten verstehen." Kein einziges Land habe an deren Notwendigkeit gezweifelt, erklärte der französische Präsident. "Alle waren einverstanden: Die Wirtschaftsregierung ist der Europäische Rat der 21 Staats- und Regierungschefs."

Die Wirtschaftsregierung war stets ein Steckenpferd Sarkozys, der sich diese für die politische Leitung der Eurozone gewünscht hatte - auch, um der EZB mehr oder weniger verbindliche Weisungen erteilen zu können. Das war und ist für Merkel wie für alle ihre Vorgänger eine Unmöglichkeit: Die politische Unabhängigkeit der EZB ist für sie eine heilige Kuh.

Die Einigung auf den Kernsatz "Der Europäische Rat wird Wirtschaftsregierung" ist somit ein klassischer EU-Kompromiss: Sarkozy hat nicht bekommen, was er wollte. Und Merkel hat für etwas eingelenkt, gegen das sie bisher war.

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