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Eine Richtungsentscheidung steht den Österreicherinnen und Österreichern kommenden Sonntag ins Haus. Ob diese noch einmal für die SPÖ ausfallen wird, hängt nicht zuletzt an ihrem | Spitzenkandidaten, weshalb auch proklamiert wird: "Auf den Kanzler kommt es an." Zwischen 34 und 40 Prozent geben die Meinungsforscher der SPÖ, die seit 1970 den Bundeskanzler stellt. Die | Entscheidung über den Kanzler hängt nicht zuletzt davon ab, wie groß der Abstand zum Zweiten in der Zielgeraden sein wird. Schließlich tritt Viktor Klima zum ersten Mal an · und er hat die Latte von | 38 Prozent vor sich, die Franz Vranitzky 1995 noch einfahren konnte.
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"Wir dürfen das Erfolgsmodell Österreich nicht durch eine radikale Wende gefährden" · zieht SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Viktor Klima seit Wochen gegen die "kein Stein bleibt auf dem anderen"-
Politik der FPÖ zu Felde. Eine Zusammenarbeit mit Haider und der FPÖ kommt für ihn nicht in Frage, das hat er immer wieder betont. Gegen die FPÖ sprechen für Klima drei Gründe: Die FP-Wahlversprechen
wie Flat Tax oder Kinderbetreuungscheck, die "finanzielle Instabilität" brächten; die FP-"Hetzkampagne gegen Menschen" und dass FPÖ-Chef Jörg Haider "unberechenbar" und nicht paktfähig sei.
Eine radikale Wende sei "eine gefährliche Drohung für die Arbeitnehmer in diesem Land" sagt Klima den Arbeitern bei einem Betriebsbesuch der VOEST in Linz, einem Heimspiel für den SP-Vorsitzenden.
Wenn etwa der "neue Prinz der FPÖ" damit drohe, alle Staatsbetriebe zu verkaufen, hätten die VOESTler sicher die richtige Antwort parat, rechnet Klima. Denn "wir wissen, was es bedeutet, wenn nach
einem Verkauf ans Ausland Technologie abgezogen und die Produktion verlagert wird: es folgt die Schließung. Die Zusperrer werden von den VOESTlerinnen und VOESTlern sicher die rote Karte kriegen."
Darauf kann sich der Kanzler verlassen, denn "die VOEST war rot, ist rot und wird immer rot sein", sagt das VOEST-Urgestein, Zentralbetriebsratsvorsitzender Erhard Koppler. Die Stimmung sei gut,
besonders seit Prinzhorn den Verkauf aller Staatsanteile ins Spiel gebracht habe.
In Linz nimmt Klima die Gelegenheit wahr, seine erst vor kurzem lancierte Initiative "Österreich ans Internet" zu forcieren. Einen Tag lang freien Zugang zum Internet stiftete der Kanzler. Als
Informatiker ist Klima vor allem die Ausbildung in den Neuen Technologien ein Anliegen. Er freut sich darüber, dass so viele Schüler Interesse zeigen. Aber auch Pensionisten sind gekommen, um mit dem
Kanzler zu surfen.
Weiter geht der SP-Wahlkampftross. Schwertberg (OÖ) steht auf dem Abschlussprogramm eines wieder langen Wahlkampftages. In krassem Gegensatz zur Politik der ÖVP stellt Klima dort den SPÖ-Ansatz zur
Arbeitsmarktpolitik. Wenn da gesagt werde, Politik habe nichts mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu tun, "dann frage ich mich, warum kandidieren die überhaupt, wenn sie behaupten, für die
wichtigste Sorge der Menschen · Arbeitsplätze · kann die Politik nichts tun." Durch den unermüdlichen Einsatz und ein Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft sei es gelungen, eine Trendumkehr
auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen: "Wir haben mit 3.200.000 Arbeitnehmern den höchsten Beschäftigtenstand, den es je gab, in diesem Land. Somit um 60.000 Arbeitsplätze mehr als vor eineinhalb
Jahren." Deshalb ist es für Klima auch ausgemachte Sache, dass sein Versprechen, in den nächsten zwei Jahren weitere 100.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen, kein utopischer Ansatz, sondern reale
Zielvorstellung ist.
Etwa 2.000 Zuhörer erreicht der Bundeskanzler in Schwertberg mit seiner Botschaft · und sie kommt gut an. Der Kanzler hat auch gleich eine Erfolgsmeldung parat: Ein Schwertberger, über 50, konnte mit
Unterstützung der Ortspartei wieder Arbeit finden. Arbeit zu schaffen, sei für die SPÖ immer zentrales Anliegen gewesen und werde es bleiben.
Kritik ernteten sowohl FPÖ als auch ÖVP für ihre teuren Wahlzuckerl: "44 Mrd. Schilling kostet der Kinderscheck. Das wird mit ein paar Bäumen aus dem Bärental nicht gezahlt werden können." Überhaupt
sei im Wahlkampf "zu viel von Familienpolitik und viel zu wenig von Frauenpolitik die Rede" gewesen. Der SPÖ gehe es aber um Frauenpolitik und vor allem auch darum, dass "Frauen Politik machen".
Deshalb versammelte Klima noch gestern Frauenministerin Barbara Prammer und fünf Kandidatinnen um sich, die das SP-Frauenprogramm für die nächste Legislaturperiode präsentierten. "Auf die Frauen
kommt es an", vor allem auch als Wählerinnen, ist Prammer selbstbewusst.
Langsam sickert das von der früheren SP-Frauenvoristzenden Johanna Dohnal eingebrachte Quotenmodell. Die SPÖ wird ihren Frauenanteil im Nationalrat von 28 auf 38 Prozent anheben. Elf neue
Mandatarinnen werden die SP-Frauenriege auf 27 verstärken. Klima will in der nächsten Regierung "selbstverständlich" wieder ein Frauenressort haben. Zum Familienministerium meinte er: "Man kann es
nicht abschaffen, weil es schon bisher keines gab", sondern nur eines für Umwelt, Jugend und Familie.
Dass die SPÖ den ersten Platz schafft, ist unbestritten, die Frage ist nur, mit wievielen Prozenten die Wähler eine SP-Kanzlerschaft legitimieren. In seiner für den Tag danach entwickelten
"Reformpartnerschaft" ist für alle Parlamentsparteien Platz, mit ausdrücklicher Ausnahme der FPÖ. Seinen Vorstoss für eine Mehrparteienregierung begründet Klima mit einer möglichen Unregierbarkeit.
Dem künftigen Kabinett gibt Klima schon jetzt einige Prämissen vor: Kompetenzentwirrung in den Ressorts mit Themenzusammenführung, klare Vorgaben an die Minister mit Ministerverantwortlichkeit.
Die Botschaft des Bundeskanzlers in einem bis an die körperlichen Grenzen erschöpfenden Wahlkampf hat sich von Anfang bis zum Schluss durchgezogen: Er trete für eine realistische,
verantwortungsbewußte Politik ein, "damit Österreich sicher und stabil in das nächste Jahrhundert gehen kann".