Zum Hauptinhalt springen

Eine Rebellin, die den Tyrannen widerstand

Von Rainer Mayerhofer

Politik

"Wissen sie, ich verkehre wenig im Haus Savoyen. Das ist keine Familie, sondern ein Kühlschrank" vertraute die Samstag im 95. Lebensjahr in Genf verstorbene letzte Königin Italiens, Maria Jose von Savoyen 1940 bei einer Bergtour in den Dolomiten dem jungen Journalisten Indro Montanelli an. Die belgische Königstochter, die 1946 für knapp einen Monat als Gattin Umbertos II. Königin war, hatte aus ihrer antifaschistischen Einstellung nie ein Hehl gemacht und Hitler und Mussolini stets verachtet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Büffelkopf" nannte sie den italienischen Diktator und die Nazis bezeichnete sie als "Barbaren und Schweine".

Am 4. August 1906 in der Sommerresidenz des belgischen Königshauses in Ostende geboren - ihr Vater bestieg als Albert I. 1909 den belgischen Königsthron, ihre Mutter Elisabeth Valerie war eine bayerische Prinzessin - wurde Maria Jose schon als Zwölfjährige zur Gattin des italienischen Kronprinzen Umberto bestimmt. Die musisch begabte Prinzessin, wuchs in einem kulturell aufgeschlossenem Ambiente auf, in dem Künstler, Literaten und Wissenschaftler verkehrten. Vor ihrer Hochzeit mit dem italienischen Kronprinzen am 8. Jänner 1930 absolvierte sie Studien in Florenz. Den Vorschlag, ihren zweiten Vornamen auf Giuseppina zu italianisieren lehnte sie ab. 1932 übersiedelte das junge Paar von Turin nach Neapel. Dort kam Maria Jose erstmals mit antifaschistischen Kreisen in Berührung. Der Archäologe Umberto Zanotti Bianco, der Schriftsteller Elio Vittorini und der Philosoph Benedetto Croce, der sich als einer von wenigen Hochschulprofessoren geweigerte hatte, den Eid auf Mussolini zu schwören, zählten zu ihrem Freundeskreis. Den im Mai 1939 abgeschlossenen Pakt zwischen Mussolini und Hitler lehnte sie entschieden ab. Ein Jahr später musste sie mitansehen, wie Hitlers Truppen ihre Heimat eroberten und ihren Bruder, König Leopold III. als Geisel nahmen. Am italienischen Königshof blieb sei wegen ihrer antifaschistischen Haltung isoliert. Nach dem Sturz Mussolinis wurde sie von der Familie mit ihren vier Kindern ins Aostatal verbannt und übersiedelte dann in die Schweiz.

Am 10. Mai 1946 wurde ihr Mann Umberto, der schon 1944 von seinem Vater Viktor Emanuel III. die Regentschaft übernommen hatte zum König bestellt, in einem letzten Versuch, die Monarchie vor dem für 2. Juni angesetzten Referendum doch noch zu retten. Maria Jose nahem selbst an dem Referendum nicht teil, wählte aber bei den am gleichen Tag stattfindenden Wahlen den Sozialisten Giuseppe Saragat, der 18 Jahre später als Sozialdemokrat in den einstigen Königspalast Quirinal als Staatspräsident einziehen sollte. 10 Tage nach dem Referendum verließ die Königsfamilie Italien, Umberto II ging nach Portugal ins Exil, Maria Jose ließ sich mit den Kindern in der Schweiz nieder, später für vier Jahre in Mexiko.

Im Exil schrieb sie mehrere Biografien über Mitglieder des Hauses Savoyen und veröffentlichte 1994 ihre Erinnerungen. Ihr Leben war von vielen Reisen geprägt. Unter anderem wurde sie 1961 von Mao in Peking empfangen. 1984 besuchte sie der damalige sozialistische Präsident Sandro Pertini in Genf. Ein Jahr zuvor war Umberto gestorben. Maria Jose gestand Pertini damals, dass sie Italien heimlich mehrmals besucht habe. Offiziell kam die Tante der belgischen Könige Baudouin und Albert II. erst im März 1998 zu ihrer ersten Reise nach Italien zurück.