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Eine Reform zwischen Ehrgeiz und Halbherzigkeit

Von Matthias Bernold

Politik

In seinem Referat am ersten Tag der Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkommission (ÖJK) in Weißenbach am Attersee dämpfte Ludwig Adamovich, selbst jahrelang Präsident des Verfassungsgerichtshofs, allzu hohe Erwartungen, was die Einsparungseffekte einer Verfassungsreform angeht.


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"Die jetzt kolportierten 3,5 Mrd. Euro halte ich für unrealistisch", erwartet Adamovich keine große Bewegung bei den Einsparungen. Diese Größenordnung ließe sich nur erzielen, wenn Institutionen wie Landtage oder der Bundespräsident ganz abgeschafft würden.

Bezugnehmend auf die Verhandlungen im Österreich-Konvent, mahnte Adamovich, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen. Nachsatz: "Und Erfahrungen hat es ja genug gegeben." Bis in die 1970er-Jahre reichen die Versuche zurück, die österreichische Verfassung einer grundlegenden Reform zu unterziehen. Zwischen zu ehrgeizigen Plänen und halbherzigen Lösungsvorschlägen seien sie - abgesehen von einigen kleineren Novellierungen - "alle stecken geblieben worden".

Probleme wie die Zersplitterung der Verfassungsbestimmungen, das Fehlen eines Grundrechtskatalogs und das Kompetenzwirrwarr sind heute wie vor 30 Jahren ungelöst. "Ich frage mich, wer sich heute die Zeit nimmt, tausende Seiten starke Protokolle vergangener Reformdebatten zu studieren", monierte Adamovich.

Gerhard Ben-Ibler, Kopf des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, trat für gestärkte und verbindlichere Gesetzesbegutachtungsverfahren ein. Die Chefin der Richtervereinigung, Barbara Helige, erneuerte in ihrem Eingangsstatement den Wunsch der Richter nach einem "Rat der Gerichtsbarkeit", dem anstelle des Justizministers die Justizverwaltung obliegen soll. Wolfgang Swoboda, erster Mann in der Vereinigung der Staatsanwälte, bekräftigte die Forderung, die Staatsanwälte als Teil der dritten Staatsgewalt in der Verfassung zu verankern.

Die Österreichische Juristenkommission tagt noch bis einschließlich Samstag. Die "Wiener Zeitung" wird sich morgen auf der Rechtsseite ausführlich dem österreichischen Verfassungskonvent widmen.