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Tschechiens Ex-Präsident Vaclav Klaus über die EU und ihre Rolle in der Ukraine.
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Vaclav Klaus ist ein widerspenstiger Geist. Der ehemalige tschechische Präsident schwimmt gerne gegen den Strom. Die Warnungen vor dem Klimawandel: vollkommen übertrieben. Der Euro: eine fehlerhafte Währung, die liquidiert werden muss. Und überhaupt die EU. Aus dem ehemaligen EU-Skeptiker wurde ein entschlossener Gegner.
Der neoliberale Ökonom und gesellschaftspolitisch konservative Klaus nahm diese Woche auf Einladung des Instituts "Foster Europe - Stiftung für starke europäische Regionen" an der internationalen Konferenz "Qualified Autonomy and Federalism versus Secession in the EU and its Member States" in Eisenstadt teil. Klaus war als letzter tschechoslowakischer Finanzminister federführend an der friedlichen und geordneten Teilung des Landes beteiligt, die 1993 vollzogen wurde.
Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem streitbaren Politiker am Rande der Konferenz über die Situation der Ukraine und die Zukunft der Europäischen Union.
"Wiener Zeitung": Die Lage in der Ukraine ist prekär, eine Spaltung nicht mehr auszuschließen. Könnte darin nicht auch eine Lösung liegen, wenn zwei Landesteile sich auseinandergelebt haben?Vaclav Klaus: Ich habe zwar Erfahrungen mit Trennungen, aber ich will hier keine Ratschläge geben. Es gibt nicht nur das positive Beispiel der Tschechoslowakei, sondern auch die Tragödie des gewaltsamen Zerfalls Jugoslawiens - und die Ukraine, so befürchte ich, könnte vor einer ähnlichen Tragödie stehen. Tschechen und Slowaken haben die Teilung von innen heraus angestrebt und vorangetrieben; sowohl in Jugoslawien wie auch jetzt in der Ukraine wird die dramatische Situation von außen provoziert.
Wen meinen Sie damit, die EU?
Ja, diese besonders. Wenn ich über die jugoslawische Tragödie spreche, dann habe ich Hans-Dietrich Genscher, Alois Mock, Madeleine Albright und Richard Holbrooke vor Augen, die damaligen Außenmister Deutschlands, Österreichs und der USA sowie den US-Sonderbeauftragten. An deren Stelle können Sie heute im Fall der Ukraine die Namen von deren Nachfolgern einsetzen. Der Zerfall Jugoslawiens war eine Katastrophe für die Menschen vor Ort, und das droht auch in der Ukraine nicht anders zu sein.
Was würden Sie sich von der EU erwarten?
Dazu ist es jetzt zu spät, die Situation ist bereits eskaliert und dafür ist auch die EU verantwortlich, weil sie die Kämpfe unterstützt hat.
Kommen wir zur Lage der EU. Diese ist auch sechs Jahre nach Ausbruch der Krise in einer schwierigen Situation . . .
Die EU ist in keiner schwierigen Situation, sie hat sich selbst eine schwierige Situation geschaffen. Dieser Unterscheidung ist wichtig. Europa beschädigt sich selbst, alle Probleme sind selbst geschaffen: Auf der einen Seite haben wir das Wirtschafts- und Sozialsystem, die sogenannte soziale Marktwirtschaft, mit diesem System ist langfristiges Wirtschaftswachstum unmöglich. Auf der anderen Seite haben wir das Problem der europäischen Integration. Ich plädiere für eine radikale Wende, einen Paradigmenwechsel in der EU, wie wir das vor 20 Jahren gemacht haben.
Welche EU schwebt Ihnen vor?
Ich bin nicht sicher, dass die Logik des EU-Integrationsmodells die Zukunft Europas ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Supranationalismus der EU vergessen und zum Intergouvernementalismus der Anfänge zurückkehren sollten, wo die souveränen Regierungen der Nationalstaaten Lösungen für Probleme ausverhandeln, die alle angehen.
Was sollte denn auf europäischer Ebene gelöst werden? Ist eine gemeinsame Armee sinnvoll?
Nein, wir brauchen hier Kooperation. Die Begriffe sind hier entscheidend: Am Anfang hieß das europäische Projekt "Integration", seit dem Maastrichtvertrag 1992 lautet das Ziel "Unifikation", als Vereinheitlichung und bewusst nicht Vereinigung. Das ist aus meiner Sicht ein Irrweg.