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Eine Ruinenlandschaft namens Opposition

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Hierzulande würde #aufstehen nicht reichen. Es braucht ein #auferstehen.


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Manchmal muss man ganz einfache Feststellungen treffen. Weil die Situation eindeutig ist. Weil man nicht herumreden kann, darf, braucht. Eine solche Feststellung, die es heute zu treffen gilt, lautet: Österreich hat keine Opposition. Das ist so klar wie eindeutig wie schmerzhaft. Und es bedeutet: Österreichs Regierung, diese türkis-blaue Koalition, hat kein Gegengewicht. Resümieren wir.

Zuerst ging Eva Glawischnig - von den Grünen zum Glücksspielkonzern Novomatic. Dazu kamen noch zwei Abspaltungen: jene der Jungen Grünen und dann jene von Peter Pilz. Die Folgen sind bekannt: Die Grünen fielen aus dem Parlament. Und Pilz stürzte - oder wurde gestürzt - über seine persönlichen Eskapaden - und kam später gewissermaßen auf allen vieren ins Parlament zurück. Hier zeichnete sich schon ein Muster ab. So haben die innerparteilichen Verwerfungen, die da jedes Mal aufgebrochen sind, gezeigt, was ein wesentliches Moment politischen Handelns ist: innerparteiliche Konsolidierung, also die Integration unterschiedlicher Richtungen, Positionen und Persönlichkeiten. Ebenso wie sich gezeigt hat, dass die Bruchlinie die Frage nach einem linken Populismus ist - also die Frage nach dem Umgang mit Migration: ob moralische Gegenposition oder Annäherung an jenes politische "Bauchgefühl", das man dem "Volk" unterstellt.

Als Nächstes dann Matthias Strolz. Man mag dessen politische Positionen geteilt haben oder nicht. In jedem Fall war er ein markanter Oppositionspolitiker, der nicht nur pointiert formulierte, sondern auch legendäre Parlamentsszenen kreierte. Abgang.

Und nun also Christian Kern. Da gab es das mediale Chaos seines Doch-nicht-Abgangs mit der fragwürdigen Rolle mancher Medien, die sofort und unhinterfragt der einen Leak-Quelle gefolgt sind. Zugleich aber muss man sagen: Diese Art und Weise seines "Abgangs" war nicht zufällig - sondern vielmehr Symptom für das, was da nicht geklappt hat. Die Intrige ist Symptom dafür, dass es Christian Kern eben nicht gelungen ist, die innerparteilichen Differenzen zu befrieden. Es ist ihm nicht gelungen, die zerstrittene Partei zu einen. Ein fähiger Mann am falschen Ort. (Vielleicht ist die EU ein geeigneteres Terrain für ihn. Und vielleicht ist sein Nachdruck auf die europäische Agenda tatsächlich ein wichtiger Impuls.) Insofern ist sein Abgang als Parteichef schlüssig - aber darum nicht weniger desaströs. Desaströs ob der Verwerfungen, die da aufgebrochen sind - der ungelösten politischen Differenzen also, die letztlich wiederum auf den unterschiedlichen Haltungen zur Migrationsfrage beruhen. Diese konnte auch das "Migrationspapier" nicht befrieden. Offenbar scheint das Entwickeln einer belastbaren, eigenständigen Haltung zu dieser Problematik die Konsolidierung einer Partei zu einer Herkulesaufgabe zu machen.

Zurück bleibt ein weiterer Scherbenhaufen in der politischen Landschaft. Ein Trauerspiel. Die Opposition bedarf gar nicht der Regierung, um sich ins Knie zu schießen. In Deutschland gibt es jetzt eine linke Sammelbewegung. In Österreich wäre eine solche nun auch vonnöten. Hier aber müsste sie sich anders nennen: nicht #aufstehen, sondern #auferstehen.