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Eine Sache des Risikos

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Autobahnen und Schnellstraßen im Privatbesitz: Was bringen Public-private-Partnerships?


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Hamburg/Wien. Drei Monate früher als geplant hieß es im Oktober 2012 auf der Autobahn zwischen Bremen und Hamburg "Freie Fahrt". Ein echtes Erfolgsmodell, wie damals die deutsche Bundesregierung nicht müde wurde zu betonen, war in Höchstgeschwindigkeit abgewickelt worden, nämlich der sechsspurige Ausbau der A1 zwischen den zwei norddeutschen Hafenstädten. Vorbild war diese Milliardeninvestition vor allem deshalb, weil sich an dieser private Investoren beteiligten, im Fachjargon Public-private-Partnership (PPP) genannt.

Vereinfacht dargestellt, vergab die öffentliche Hand Bau und Betrieb an eine private Gesellschaft, die dafür ihrerseits dann 30 Jahre lang die anfallende Lkw-Maut erhalten sollte. Es fand also ein Risikotransfer statt. Weniger Risiko für den Staat, mehr Risiko für private Investoren. Das ist wichtig, denn an diesem Faktum hängen die zentralen Argumente - für und auch gegen derartige PPP-Modelle.

Der aktuelle Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der ein Jahr nach Eröffnung dieses rund 70 Kilometer langen Abschnitts sein Amt antrat, hat sich bisher stets positiv zu dieser Zusammenarbeit mit privaten Investoren geäußert. Fünf solcher Autobahn-Projekte sind bereits fertig, ein gutes Dutzend ist noch in Planung. Möglich, dass sich daran jedoch nun etwas ändern wird. Denn mit dem einstigen Erfolgsmodell gibt es Probleme. Die Betreibergesellschaft "A1 Mobil" steht laut "Süddeutscher Zeitung" knapp vor der Insolvenz, sie hat Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht und verlangt 787 Millionen Euro. Das ist mehr als die Hälfte der Errichtungskosten. Dobrindt steht seither in der Kritik.

Worauf die Klage genau fußt, ist etwas unklar. Eine Anfrage der "Wiener Zeitung" bei der Betreibergesellschaft blieb unbeantwortet. Auch deutsche Medien fischen hier eher im Trüben. Das berührt ein generelles Problem solcher PPP-Modelle: Der Vertrag, auf Basis dessen offenbar geklagt wird, ist geheim, und zwar so geheim, dass sogar Bundestagsabgeordnete nur Einsicht nehmen können, wenn sie eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben. Sie dürfen danach also mit niemandem darüber sprechen. Der konkrete Vertrag soll jedenfalls über 36.000 Seiten verfügen.

In Österreich gibt es nur ein PPP-Autobahn-Projekt, nämlich die Nordautobahn A5 und ihre Verbindung in den Süden und Norden Wiens, zur Außenring Schnellstraße S1. Betrieben wird die Straße von der privaten Gesellschaft Bonaventura, hinter der sich wiederum die zwei ausländischen Investmentfonds Meridiam und RREEF befinden.

Was also, wenn auch in Österreich der private Partner in finanzielle Schwierigkeiten gerät? Kann das passieren? Und was bedeutet das dann? Wie Volker Rux von der Asfinag erklärt, ist die Autobahn im öffentlichen Eigentum, der Bonaventura wurde nur ein Nutzungsrecht eingeräumt. Im Fall einer Insolvenz würde also die Asfinag den Betrieb sicherstellen, problematisch wäre ein Konkurs für die Autofahrer nur, wenn sie während größerer Sanierungsarbeiten eintreten würde. In diesem Fall würden sich die Bauarbeiten wohl verzögern. Sehr tragisch wäre das aber auch nicht.

Rein theoretisch ist eine Insolvenz aber natürlich möglich. Hier ist wieder das Risiko bedeutsam. Die öffentliche Hand kann sich auf dem Kapitalmarkt zu deutlich günstigeren Konditionen finanzieren als private Gesellschaften, da deren Insolvenzrisiko höher ist. Deshalb auch die höheren Zinsen.

In weiterer Konsequenz bedeutet dies, dass PPP-Projekte in der Finanzierung grundsätzlich teurer kommen. Es liegt also auch im Interesse des Staates, Modelle zu wählen, die das Risiko auf privater Seite möglichst reduzieren. In Deutschland wird etwa der Betreibergesellschaft vorgeworfen, von Beginn an über zu wenig Eigenkapital verfügt zu haben.

Mehr Planbarkeit

In Österreich hat man sich, anders als in Hamburg, für ein sogenanntes Verfügbarkeitsmodell entschieden. Der private Betreiber erhält keine Maut-Gebühren wie bei der A1, sondern eine Art Miete: das Verfügbarkeitsentgelt. Es verringert sich, wenn beispielsweise einzelne Spuren gesperrt werden müssen. Dazu kommt noch die "Schattenmaut", das ist der variable Teil. Je mehr Fahrzeuge die Autobahn nutzen, desto mehr erhält die Bonaventura. "Dieser Anteil liegt aber nur etwa bei 30 Prozent", sagt Rux, der das PPP-Projekt bei der Asfinag betreut.

Die Planbarkeit ist bei der Nordautobahn für die Investoren daher größer und damit das Risiko auch geringer. Wie eine Sprecherin der Bonaventura sagt, habe die Gesellschaft zwar unter dem Einbruch durch die Wirtschaftskrise gelitten, da weniger Verkehr herrschte als kalkuliert, nun sei man aber mit den Zahlen zufrieden. "Wir haben Abstriche machen müssen, aber jetzt sind wir auf einem guten Level", sagt sie.

PPP als Auslaufmodell?

Ein Nachfolge-Projekt ist aber nicht in Sicht, wie es von der Asfinang und auch aus dem Verkehrsministerium heißt. Die Hoffnungen in eine Partnerschaft mit privaten Investoren, von der beide Seiten profitieren, haben sich nicht erfüllt. Schon 2010 hat der Rechnungshof Kritik geübt, keine Einsparungen gefunden und vor allem die Beraterhonorare von 12,5 Millionen Euro bemängelt.

In gewisser Weise sind diese Ergebnis des Risikotransfers, da bei Projekten, die auf 30 Jahre angelegt werden, alle nur denkbaren Eventualitäten vertraglich festgelegt werden müssen. Der juristische Aufwand ist enorm, wie die tausende Seiten umfassenden Verträge belegen. Die Intransparenz dieser Verträge macht die Projekte aber auch grundsätzlich anfällig für Korruption. Auch das gilt es zu berücksichtigen.

Die Frage, ob und wie sich private Investoren an Bau und Betrieb öffentlicher Infrastruktur beteiligen sollen und dürfen, wird seit Jahren diskutiert, oftmals auch ideologisch. Es brauche Private, weil der Staat nicht wirtschaften könne, heißt es dann von der einen Seite. Rendite von privaten Investoren beim Bau öffentlicher Infrastruktur sei unredlich, ist von der anderen Seite zu hören. Ein Gesamtbild fehlt bisher, da diese Modelle noch relativ jung sind und die wenigsten von ihnen, auch international, am Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt sind.

Knappere Staatskassen und Maastricht-Vorgaben einerseits sowie das gestiegene Interesse von Fonds und institutionellen Investoren (Versicherungen) an derartigen Projekten andererseits haben in Europa aber jedenfalls zu einem kleinen Boom dieser PPP-Modelle beigetragen. Auch bei den Straßenprojekten in Deutschland hieß es, dass die Alternative nicht die herkömmliche Finanzierung gewesen sei, sondern gar nicht bauen zu können. Unter anderem wegen EU-Vorgaben.

Fixpreis und Liefertermin

Und wieder ist hier die Frage nach dem Risiko wesentlich. Wenn es auf private Seite wandert, werden die Investitionen nicht Maastricht-wirksam, es gibt außerdem einen Fixpreis und einen genauen Liefertermin, der eingehalten werden muss, da sonst hohe Pönalen geleistet werden müssen. Die öffentliche Hand kann damit also auch Verantwortung verschieben. Dazu kommt die Hoffnung, dass sich durch Professionalisierung bei Errichtung und Betrieb Effizienzsteigerungen ergeben, die wiederum die Gesamtkosten reduzieren - im Idealfall so weit, dass die Mehraufwendungen durch schlechtere Zinskonditionen kompensiert werden können.

Im konkreten Fall der Nordautobahn hat der Rechnungshof 2010 aber eben keine "gravierenden Vorteile" gefunden, wenngleich die Datenlage nicht ausreichend war, dass die Prüfer einen endgültigen Befund vornehmen konnten. In Großbritannien, dem Mutterland nicht nur des Fußballs, sondern eben auch von Public-private-Partnerships, hat ein Untersuchungsausschuss des Parlaments ebenfalls keine Vorteile für die Steuerzahler gefunden. Im Gegenteil. Es sei sogar eine "extrem ineffiziente" Finanzierungsmethode, hieß es in dem Bericht aus dem Jahr 2011. Auf der anderen Seite sind vor allem in den vergangenen Jahren langfristige Kredite über mehrere Jahrzehnte für große Immobilienprojekte auch für die öffentliche Hand nicht mehr so einfach zu bekommen. Auch das dürfte eine indirekte Folge der aktuellen europäischen Zinspolitik sein.

Die lange Laufzeit birgt aber auch ein anderes Problem. Denn selbst bei sehr kreativer Vertragsgestaltung kann nicht jede Eventualität bedacht werden. Was, wenn ein Verkehrsminister in zehn Jahren Benzinautos von den Autobahnen holt und nur E-Autos das Privileg von 130 km/h gestattet? Oder Lkw mit E-Motor von der Maut befreit werden?

Die Zukunft ist eben unsicher, irgendwie müssen sich derartige Eingriffe aber eben auch vertraglich niederschlagen. Und hier geht es dann wieder um das Risiko. Wer trägt dieses am Ende? Wenn es bei den Privaten liegt, bedeutet das natürlich auch, dass das gesamte Projekt wieder teurer wird.