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Eine schrecklich nette Familie

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Von der sommerlichen Schmierenkomödie um Anna Fenninger haben alle ihre Schrammen davongetragen.


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Es war einmal, so beginnen fast alle Märchen. Und diesmal war es eben in einer großen Familie: Das rebellische Töchterchen will sich nicht länger beugen, muckt auf, zieht aus - und kehrt wenig später reumütig in die Arme des Übervaters zurück. Das Happy End ist besiegelt, alle sind zufrieden.

Und so ähnlich will nun auch der österreichische Skiverband die Causa Anna Fenninger - die sich selbst am Donnerstag übrigens nicht äußerte - erzählen. Als große Familie mit einem Übervater versteht sich schließlich auch der ÖSV. Da können schon einmal die Fetzen fliegen, wichtig ist, man versöhnt sich wieder. Nun ist gegen Versöhnungen ja nicht prinzipiell etwas zu sagen. Das Leben besteht aus Reibereien und Kompromissen, aus Problemen und Lösungen, im
(Ski-)Sport ist es nicht anders. Doch so heil, wie die Familie (nun wieder) dargestellt werden soll, ist sie noch lange nicht. Abgesehen davon, dass man schon vor einer Woche feierlich eine Einigung proklamiert hatte, die dann durch Auftauchen eines Inserats schneller dahinschmolz als der frühsommerliche Gletscherschnee, haben ausschließlich alle ihre Schrammen von der medial ausgetragenen Schlammschlacht davongetragen: Fenninger, die zuerst von vielen Fans für ihren Mut und ihre Offenheit gelobt wurde, wird genau diesen nun ihren Rückzieher erklären müssen. Schließlich war sie schon als Jeanne d’Arc des (Ski-)Sports gefeiert worden, als Heldin der Entrechteten, die das ach so böse System ohne Rücksicht auf eigene Verluste zum Wohle aller zum Einstürzen bringen könnte. Dann wäre da genau dieses System, das nun - Einigung hin, Versöhnung her - vielerorts am Pranger steht, das System ÖSV, das System Schröcksnadel. Zwar hat das Solidaritätsprinzip, das den vermeintlichen Knebelverträgen zugrunde liegt, durchaus Sinn. Dennoch wird von den darüberhinausgehenden Attacken Fenningers wohl einiges hängen bleiben. Schließlich war auf ihrem Facebook-Posting von persönlichen Angriffen auf Schröcksnadel über den Vorwurf der Frauendiskriminierung im ÖSV bis hin zu jenem der Verlogenheit so ziemlich alles zu lesen, was eine funktionierende Kommunikation (beiderseits) eigentlich verunmöglicht. (Mit der präsidialen Erklärung über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei der Pressekonferenz tat sich Schröcksnadel dann eher auch keinen Gefallen. Wenn er als Mann auf der Autobahn aufs Klo müsse, würde er das so sagen, sinnierte er. Bei einer Frau würde die Bitte an den Fahrer, stehenzubleiben, jedoch dergestalt ausfallen: "Du Schatzi, mech’st ned stehenbleiben und vielleicht einen Kaffee trinken?" Was er damit meinte: Eine Frau spreche eben anders. Respekt: Schröcksmadel, der Frauenflüsterer, das ist dann wirklich neu.)

Und der Vorwurf der Verlogenheit bekam durch einen Artikel im "Wirtschaftsblatt" in der Nacht auf Donnerstag zusätzliche Brisanz, in dem von nachträglich veränderten Protokollen des vermeintlichen Friedensgipfels in der Vorwoche zu lesen war. Wollte der ÖSV etwa gar mit der anscheinend über Nacht erfolgten Kehrtwende, Fenninger wieder in die Arme zu schließen, weiteren unangenehmen Meldungen zuvorkommen? Schließlich schien eine Einigung wenige Stunden zuvor noch unmöglich. Alles Spekulation, freilich. Fakt ist aber, dass die nunmehrige, vorerst einseitig vom ÖSV ausgerufene, Versöhnung mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt - und die gesamte Causa abgesehen von Mercedes nur Verlierer kennt.

Es war einmal, so beginnen eben, . . nun ja, Märchen.