Zum Hauptinhalt springen

Eine schwierige Partie

Von Michael Schmölzer

Politik

Laschet sah sich als sicherer Erbe Merkels. Mit ihm fuhr die Union jetzt ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bis zuletzt hat CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet an seinen Sieg geglaubt, sich der Hoffnung hingegeben, dass die schlechten Umfragewerte doch nur ein Trugbild seien. Auch unmittelbar nach Wahlschluss musste er sich noch nicht komplett geschlagen geben, auch wenn die SPD nach und nach ihren Vorsprung ausbaute. Klar aber war, dass die Union ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren hat.

Dass der CDU-Frontmann nicht im Triumphzug vom Feld gehen konnte, hat seine Gründe. In Laschets erster Ansprache nach der Wahl war von "Ausnahmesituation" die Rede und davon, dass man mit dem Ergebnis "nicht zufrieden" sein könne. In der Tat wiegte sich Laschet zu lange in falschen Sicherheiten, beging schwere Fehler und wurde von der allgemeinen Orientierungslosigkeit der CDU mitgerissen.

Laschet, eigentlich ein erfahrener Politprofi, machte während des Wahlkampfs oft zum falschen Zeitpunkt das Falsche. Er lachte, als unzähligen Deutschen zum Weinen war, weil sie durch eine Naturkatastrophe ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten. Und er wirkte im TV uninspiriert, als er auf die Fragen der Moderatoren nach weiteren CDU-Inhalten spontan keine Antwort wusste.

Fehltritte bis zuletzt

In die Reihe der missglückten Auftritte passt, dass der CDU-Mann am Wahltag seinen Stimmzettel falsch faltete, sodass Umstehende sehen konnten, wen er gewählt hatte. (Sich selbst.) Die Fotografen waren natürlich zur Stelle und hielten den für Laschet unangenehmen Moment fest. Der Boulevard hatte seine Schlagzeile, die Schadenfreude war groß.

Aus Sicht der Union war es schon davor schwierig, es lief nicht rund: Nicht für Laschet, nicht für die Partei und nicht für die Polit-Granden, die den 60-Jährigen trotz aller Warnungen und entgegen aller verfügbaren Umfrageergebnisse auf den Schild gehoben hatten.

Am Ende sind Laschets persönliche Missgeschicke nicht der entscheidende Faktor. Es sind nur Symptome einer falschen Grundannahme. Denn Laschet wurde nach dem Ausscheiden von Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang des Jahres CDU-Chef und war damit automatisch Kanzlerkandidat. Zu diesem Zeitpunkt war die Union die mit Abstand stärkste Partei im Land, Laschet wähnte sich als logischer und rechtmäßiger Nachfolger Angela Merkels, der gleichsam automatisch in das Kanzleramt gehoben wird. Hier hat er sich getäuscht, wie deutsche Medien - allen voran "Der Spiegel" - dick unterstreichen: Laschet wollte sein vermeintlich sicheres Erbe antreten und dachte nicht daran, hart um jede Stimme zu kämpfen. Das kam bei den Wählern nicht gut an, das hat sich gerächt, die Rede war sogar von einer "demokratischen Anmaßung".

Partei der Beliebigkeiten

Laschet bedachte nicht, dass die politischen Parteien in Deutschland massiv an Bedeutung eingebüßt haben. Denn wer innerhalb der Fraktion überzeugt, hat noch lange keine Wahl gewonnen. Dazu kommt, dass manche inhaltliche Forderungen im CDU-Parteiprogramm veraltet wirken - etwa die, dass hier ein Tempolimit auf Autobahnen ebenso abgelehnt wird wie ein Enddatum für den Verbrennungsmotor.

Laschet strahlte zu Beginn des Wahlkampfes das Selbstbewusstsein eines Mannes aus, der bis dato jedes seiner gesteckten Ziele erreicht hat. Das kam bei den Deutschen als Überheblichkeit an, es wurde schadenfroh aufgenommen, wenn Laschet wieder in eine Falle getappt war. Oft sogar in eine, die er sich selbst gestellt hatte. Egal was Laschet mache, es werde immer kritisiert und schlechtgemacht, sah man sich innerhalb der CDU als Opfer.

Das Problem liegt freilich nicht allein bei Laschet, vielmehr ist die CDU als Partei nach 16 Jahren durchgehend an der Regierung in die Krise geschlittert.

Die CDU habe ihren Wahlkampf auf einer irrigen Annahme von Kontinuität aufgebaut, so der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin. Die Vorstellung, dass die Wählerschaft dem Kandidaten Laschet automatisch dasselbe "generalisierte Grundvertrauen" entgegenbringt wie Merkel, wäre grundfalsch. Laschet, so das Verdikt hier, hätte viel früher inhaltliche Akzente mit klassischen CDU-Themen setzen müssen.

Die Profillinien der CDU seien "im Dauerzustand des Regierens abgeschliffen", fügt der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg gegenüber der AFP hinzu. "Es ist schwer, den Markenkern der CDU über das Krisenmanagement hinaus zu erkennen." So habe beispielsweise die CDU ihren traditionellen Kompetenzvorsprung gegenüber der SPD im Bereich Wirtschaft fast verspielt.

Die Integrationsfigur geht

Dazu kommt, dass Merkel in der CDU eine Lücke hinterlässt, die niemand füllen kann. "Jetzt merkt man, dass die integrative Kraft der Union, der Zusammenhalt der verschiedenen Richtungen, in weiten Teilen von Merkel als Person und von ihrem Amtsbonus ausging", urteilt der Berliner Politikprofessor Thorsten Faas.

Dass es ohne Angela Merkel schwer war und schwer wird, räumte Laschet knapp nach der Wahl ein. Zugleich stellte er trotz des schlechten Wahlergebnisses den Führungsanspruch der Union in einer künftigen Koalition, die wahrscheinlich aus drei Parteien bestehen wird: "Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung", so Laschet einmal mehr. "Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert."

Alle Ergebnisse zur deutschen Bundestagswahl