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Analyse: Nach dem Staatsakt für Barbara Prammer sucht die SPÖ einen Nachfolger. Wohl eher eine Nachfolgerin.
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Wien. Irgendwie ist es immer noch zu früh. Erst am vergangenen Samstag hat sich die Republik in einem Staatsakt vor dem Parlament von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer verabschiedet. Die Beisetzung der am 2. August an Krebs Verstorbenen im engsten Familienkreis in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof wird wohl erst in einigen Tagen erfolgen.
Doch spätestens nach dem Staatsakt ist die offizielle Trauerzeit in der SPÖ vorbei - Kanzler Werner Faymann muss nun ernsthafte Überlegungen anstellen, wen er für das zweithöchste Amt im Staat nominiert. Nicht nur menschlich wird es schwierig, einen Nachfolger für Barbara Prammer zu finden. Auch in der Sache werden sich die Sozialdemokraten wohl bemühen müssen, jemanden zu finden, der Prammers politisches Vermächtnis weiterträgt. Wie dieses aussieht, das haben die Trauerredner am vergangenen Samstag deutlich gemacht. Bundesratspräsidentin Ana Blatnik, gebürtige Kärntner Slowenin, hob etwa Prammers Einsatz für die Minderheitenrechte hervor. Faymann betonte ihr Engagement für die Versöhnung mit den Holocaust-Opfern. Die Öffnung des Parlaments und ihr frauenpolitischer Einsatz wurden ebenso gewürdigt wie ihr Führungsstil im Hohen Haus, der vor allem in den vergangenen Jahren frei von parteipolitischem Einfluss war.
In die Rolle der überparteilichen Vermittlerin musste Prammer in der Zeit als Nationalratspräsidentin ab 2006 erst hineinwachsen. Aber sie hat sie bis zum Schluss bewusst gelebt, was dem Hohen Haus wie auch der Demokratie an sich gut getan hat. So agierte Prammer etwa in Sachen Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht oder auch bei Fragen der direkten Demokratie eher als Fürsprecherin der Oppositionsparteien - und sprach damit oft gegen die eigene Parteilinie. Die SPÖ wäre also gut beraten, keinen braven Parteisoldaten an die Spitze des Nationalrats zu hieven, sondern jemanden, der bereit ist, ähnlich unparteiisches Verhalten zu erlernen.
Gleichzeitig werden sich die Sozialdemokraten schwertun, einen Mann als Nationalratspräsidenten zu nominieren. Schließlich würde dies das Andenken an Prammer - bekennende Feministin, ehemalige Frauenministerin und erste weibliche Nationalratspräsidentin - empfindlich stören.
Heinisch-Hosek alslogische Nachfolgerin
Als logische Nachfolgerin gilt daher derzeit Gabriele Heinisch-Hosek. Sie war nicht nur Nachfolgerin Prammers als SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende, sondern auch - nicht direkt - als Frauenministerin. Zudem hat die Niederösterreicherin zuletzt als Unterrichtsministerin keine besonders gute Figur gemacht (Stichwort: Bifie- und Zentralmatura-Pannen). Dagegen spricht die dünne Decke an ministrablen Persönlichkeiten, die auch die SPÖ quält: Ein logischer Nachfolger am Minoritenplatz ist nicht vorhanden.
Dieses Problem stellt sich nicht, wenn der SPÖ-Chef eine andere altgediente Abgeordnete nominiert. Zum Beispiel böte sich hier ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser an. Sie ist ebenfalls eine prononcierte Frauenpolitikerin, ihre Ernennung könnte zudem helfen, den derzeit eher Faymann-kritischen Gewerkschaftsbund zu befrieden. Daneben bleibt noch einer, der sich immer wieder Chancen ausgerechnet hat: Josef Cap. Der mit 31 Jahren im Parlament mit Abstand längstdienende rote Parlamentarier musste nach der letzten Nationalratswahl seinen Klubchef-Posten für Andreas Schieder räumen. Doch sein Einvernehmen mit Faymann soll nicht das allerbeste sein - und er ist ein Mann.
Wer am 2. September zum neuen Nationalratspräsidenten gewählt wird, ist also noch völlig offen. Auch wer Prammers Mandat im Nationalrat bekommt, wird sich noch zeigen: Nummer zwei hinter ihr auf der oberösterreichischen Landesliste war der Gewerkschafter Walter Schopf, gefolgt von der oft parteikritischen Sonja Ablinger, die gegen lautstarken Protest vieler aus dem Nationalrat geflogen ist.
Rudolf Hundstorfer Kandidat für den Bundespräsidenten?
Weniger unklar ist die Frage nach der Kandidatur für den Posten des Bundespräsidenten 2016. Prammer hätte gute Chancen auf dieses Amt gehabt und "sie wäre eine gute Bundespräsidentin geworden", sagte Barbara Coudenhove-Kalergi in ihrer Trauerrede am Samstag. Nun wird die SPÖ wohl den ebenso beliebten wie leutseligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer aufstellen. Er kann wohl auch als einer von den Politikern gesehen werden, die - wieder Coudenhove-Kalergi über Prammer - "Politiker sein können, ohne sich zu verbiegen".