ÖIAG und mexikanischer Telekomriese wollen Syndikatsvertrag abschließen.
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Wien. Die staatliche Industrieholding ÖIAG stellt am Mittwoch in einer Aufsichtsratssitzung die Weichen bei der Telekom Austria. Es könnte durchaus sein, dass Österreich künftig nicht mehr das Sagen in der Telekom hat, oder es sich teilt. Laut Pressemeldungen soll der bereits seit längerem geplante Syndikatsvertrag zwischen ÖIAG und America Movil fertig sein. In einem solchen Vertrag wird festgelegt, wie die beiden Großaktionäre ÖIAG und America Movil ihre Anteile bündeln, um künftig gemeinsam Entscheidungen treffen zu können. Derzeit hält die ÖIAG 28,42 Prozent an der Telekom Austria, America Movil hält 26, 84 Prozent.
Das Telekomunternehmen America Movil gehört Carlos Slim (74). Der sagenhafte Reichtum Slims gründet sich auf dem Kauf der mexikanischen Telefongesellschaft Telmex zu äußerst günstigen Konditionen; die Tochter America Movil war für das beginnende Mobilfunkgeschäft zuständig. An der New Yorker Börse notiert der Konzern bei 70 Milliarden Dollar (50 Milliarden Euro). Slim hat in Süd- und Nordamerika investiert und auch in Europa kräftig expandiert. Sein Privatvermögen wird auf 55 Milliarden Euro geschätzt.
Die Entscheidung über den Syndikatsvertrag muss heute fallen, weil das Übernahmerecht - zum Schutz der Kleinanleger - nach Bekanntgabe einer solchen Absicht bei der Übernahmekommission nur 40 Tage Zeit vorsieht, um die Gespräche zu finalisieren. Ansonsten müssten die Gespräche zwischen ÖIAG und America Movil ein Jahr lang pausieren.
Arbeiterkammer dagegen
Was die Politik von einem Syndikatsvertrag hält, wird nicht klar kommuniziert. Einzig die Arbeiterkammer mit Direktor Werner Muhm hat sich hinausgelehnt und gedroht, dass die fünf Arbeitnehmervertreter der ÖIAG-Aufsichtsratssitzung fernbleiben und somit den Syndikatsvertrag zumindest für ein Jahr verzögern könnten. Muhm, der auch wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzler Faymann ist, werden Ambitionen auf den ÖIAG-Aufsichtsratschef-Posten nachgesagt. Den hat derzeit der Industrielle Peter Mitterbauer.
Allerdings glaubt Michael Böheim, Industriepolitikexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, an einen Abschluss des Vertrags. Denn die Mexikaner hätten schon zu viel Geld und Zeit in das Projekt investiert. Immerhin hat Slim angeblich 9,50 Euro pro Aktie gezahlt, derzeit steht der Kurs bei 7 Euro. Damit wäre Slim vorerst noch in den roten Zahlen.
Bei der Telekom Austria verweist man darauf, dass das Unternehmen keinen Kapitalbedarf hat und daher von sich aus keine Kapitalaufstockung betreiben würde. Böheim schenkt dieser Darstellung wenig Glauben. "Die Telekom Austria ist zum Leben zu klein und zum Sterben zu groß. Langfristig wird sie einen Partner brauchen", sagt er zur "Wiener Zeitung". Böheim schätzt, dass Slim das Unternehmen neu ausrichten und daher auch mehr Einfluss will. Wien wäre für Slim auch ein Brückenkopf zur Expansion in andere Märkte.
Der Industriepolitikexperte plädiert aber für einen radikaleren Schritt: "Ich bin dafür, dass die Telekom ganz privatisiert wird. Ich sehe keinen Grund dafür, warum das Unternehmen, das rein betriebswirtschaftlich agiert, noch einen staatlichen Kernaktionär haben soll." Dann könnte vielleicht auch das Headquarter einmal nicht mehr in Wien sein?
Standort -sterreich gefährdet?
"Könnte sein", meint Böheim, "aber mit 25 Prozent plus einer Aktie kann man auch keinen großen Einfluss nehmen." Er kritisiert die Standortpolitik -sterreichs der vergangenen Jahre: Die hohe Steuerbelastung und die vielen Direktiven seien ein wesentlicher Grund, warum große Unternehmen eine Abwanderung erwägen.
An einen Ausstieg denkt man in der Politik aber offenbar nicht. "Die Sperrminorität ist gesetzlich definiert. Aufgabe der ÖIAG ist es, sämtliche Standortfragen zu definieren, also Headquarter, Forschung, Sicherstellung der Investitionen im Land etc.", hatte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" im Jänner gesagt.