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Eine Teilung des Kosovo hätte für Serbien unangenehme Folgen

Von Michael Schmölzer

Analysen

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Der Streit über die Kontrolle von Grenzposten im Nordkosovo hat die Debatte neu entfacht, ob das Land nicht doch geteilt werden sollte. Belgrad, die Schutzmacht der serbischen Minderheit im Kosovo, fordert seit langem die Abspaltung des Nordens. Der würde dann Serbien zugeschlagen. Auch der frühere UN-Vertreter im Nordkosovo, Gerard Gallucci, findet ein derartiges Szenario mittlerweile "realistisch".

Dass es tatsächlich dazu kommt, ist aus drei Gründen nicht wahrscheinlich: Zunächst einmal genießt die serbische Bevölkerung Kosovos im europäischen Vergleich weitreichende Minderheitenrechte. Bei den Verhandlungen über die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien 2006 bis 2008 wurde dem Schutz der serbischen Bevölkerung oberste Priorität eingeräumt. Das geschah gerade deshalb, um eine Teilung des Landes nicht nötig zu machen. Die serbischen Gemeinden können in so gut wie allen Bereichen autonom entscheiden, Prishtina hat kaum Zugriffsmöglichkeiten. Die kosovarische Polizei ist machtlos, es fehlen rechtsstaatliche Strukturen. Das hat zur Folge, dass im Norden kriminelle Organisationen Platz greifen. Das bestätigt auch die internationale Schutztruppe Kfor. Banden sind es auch, die für die jüngste Gewalt an den kosovarisch-serbischen Grenzposten die Verantwortung tragen.

Zum Zweiten ist die in der Kosovo-Frage tonangebende internationale Macht, die USA, strikt gegen eine Teilung des Landes. In Washington heißt es, dass man über ein derartiges Szenario "keine Sekunde" nachdenke. Die USA stünden zur "Souveränität und territorialen Integrität" des Kosovo. Eine Teilung hätte negative Auswirkungen auf die gesamte Region, wird in Washington betont.

Gemeint sind damit die zahlreichen verschiedenen ethnischen Gruppen, die im ehemaligen Jugoslawien immer noch in unmittelbarer räumlicher Nähe leben und auch Jahre nach den blutigen Bürgerkriegen in unversöhnlicher Feindschaft verbunden sind. Wenn man um jede dieser ethnischen Gruppen Grenzen zöge, sei die Katastrophe vorprogrammiert, heißt es in Washington.

Dieser Argumentation kann man sich auch in Belgrad nicht völlig verschließen. Immerhin gibt es in Südserbien eine albanische Minderheit, die dann mit einigem Recht einen Anschluss an den Kosovo verlangen könnten. Dabei handelt es sich um die in den Gemeinden Presevo, Medvedja und Bujanovac lebenden Albaner, die sich in einem Referendum bereits für einen Anschluss an den Kosovo ausgesprochen haben. Müsse man den Norden des Kosovo hergeben, könne man mit Fug und Recht die drei Gemeinden beanspruchen, macht Prishtina klar.

Das wäre für Serbien höchst unangenehm, denn damit würde Belgrad auch seinen einzigen direkten Verkehrsanschluss an Mazedonien verlieren.

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