Die Angst vor dem Fremden wird von der Politik ausgenutzt - und das nicht nur von den sogenannten rechtspopulistischen Parteien.
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Es geht eine Pest um in Europa. Diese Pest heißt Fremdenhass.
Ihre Ausbreitung wird gefördert durch die Wirtschaftskrise. Am deutlichsten wird dies in Griechenland, wo die Partei "Goldene Morgenröte" mit dezidiert faschistischem Auftreten in Umfragen auf deutlich mehr als zehn Prozent Zustimmung kletterte, ehe sie von der Justiz ihrer Köpfe beraubt wurde. Aber sogar in dem Wohlfahrtsstaat Norwegen sitzt die fremdenfeindliche "Fortschrittspartei", die bei den Wahlen 16 Prozent Zustimmung erreicht hat, mittlerweile in einer Minderheitsregierung.
Im ölreichen Norden wird die neue Koalition das Asylrecht weiter verschärfen, was allerdings bereits rot-grüne Bündnisse vorgezeichnet haben. Wie salonfähig Rechtspopulismus bereits geworden ist, zeigt sich also nicht nur an den Wahlerfolgen einschlägiger Bewegungen, sondern auch daran, dass etablierte Parteien deren Forderungen bereitwillig aufgreifen. In Großbritannien war es die konservative Regierung, die zehntausende SMS an vermeintlich illegale Emigranten verschickte, um sie zur Rückkehr in ihre Heimat aufzufordern - auch wenn sich dann herausstellte, dass viele längst britische Staatsbürger sind. Und in Frankreich erzielt der sozialistische Innenminister Manuel Valls mit seiner Anti-Roma-Politik anders als seine Regierungskollegen ähnlich hohe Popularitätswerte wie die rechtsextreme Marine Le Pen.
Valls’ Ansicht, dass Roma wegen ihres völlig anderen Lebensstils nicht integrierbar seien, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Politiker auf reale Probleme reagieren: Eine pauschale Verurteilung ganzer Bevölkerungsgruppen wird zur Voraussetzung für die einfache Lösung der Abschiebung. Bloß, dass die Abgeschobenen in ihren Herkunftsländern genauso unwillkommen sind. Die sozialen Ursachen werden hier wie dort erst gar nicht berührt.
In unserem Nachbarland Ungarn wird von der drittstärksten Parlamentskraft, der Partei "Jobbik", exemplarisch vorgeführt, wie stark Roma- und Fremdenhass mit Antisemitismus Hand in Hand gehen. Dass die Judenfeindlichkeit in Westeuropa eine geringere Rolle als im Osten spielt, ist da wenig Trost. Denn die Mechanismen funktionieren gleich. Die Unzufriedenheit mit der Gesellschaft, die - gerade in Krisenzeiten aktuelle - Angst vor eigener Ausgrenzung wird projiziert auf andere, "fremde" Gruppen. Alle Übel schreibt man den Sündenböcken zu, gleichzeitig wird ein imaginiertes "Wir" geschaffen, als ob es tatsächlich eine einheitliche Kulturgemeinschaft gäbe.
Die Fiktion einer homogenen Volkskörpers ist eng verknüpft mit dem aktuellen Wiederaufleben des Nationalismus. Während es die Europäische Union im Widerstreit der einzelstaatlichen Interessen zu zerreißen droht, schaffen die Regierungen Einigkeit nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner: In der Abschottung gegenüber Migrantenströmen. Statt eine humane Flüchtlings- und Asylpolitik zu schaffen, wird billigend in Kauf genommen, dass Tausende an Europas Küsten ertrinken.
Die Angst vor dem Fremden ist eine Pest, an der nicht jene sterben, die an ihr erkranken - sie tötet andere.