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Eine trübe Wahl

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Pakistan votiert für ein neues Parlament - einer der wichtigsten Protagonisten ist nicht auf dem Stimmzettel.


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Islamabad/Dubai. In Khushab herrscht eine merkwürdige Ruhe. Der Distrikt in der Punjab-Provinz mit einer Million Einwohnern stellt immerhin zwei Abgeordnete in der Nationalversammlung in Islamabad und vier im Provinzparlament in Lahore, doch gibt es keine öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen, keine Kundgebungen. Die Behörden haben kurz vor der Wahl am Mittwoch ein Versammlungsverbot erlassen, das Gruppen von mehr als vier Leuten in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Vor einigen Tagen hat die Verwaltung alle Wahlplakate auf den Straßen des Distriktes entfernen lassen. Denjenigen, die es wagen, neue Transparente aufzuhängen, drohen Geldstrafen.

Sumaira Malik, die für die konservative Regierungspartei PML-N (Pakistan-Muslim-Liga) kandidiert, gibt sich aber siegessicher. "Der Distrikt gehört der PML-N", sagt sie. Doch ihre Wählerbasis ist weniger optimistisch. Der langjährige Parteichef Nawaz Sharif sitzt hinter Gittern. Auch gegen zahlreiche andere führende Politiker der Fraktion laufen Korruptionsverfahren.

"Die Wähler fühlen sich betrogen, weil gegen die Führung der PML-N Front gemacht wird", meint Malik Iqbal, ein Anwalt aus Khushab. "Die größte Herausforderung der Partei ist es, die schwindende Moral ihrer Wähler wiederzubeleben." Beobachter glauben, dass die Verwaltung daran arbeitet, die Wahlbeteiligung gering zu halten, weil dies der Opposition nützen würde. Daher sei das Versammlungsverbot ausgesprochen worden.

Einflussreiche Armee

Der Urnengang ist auch in anderer Hinsicht außergewöhnlich: Die Armee schickt mehr als 370.000 Soldaten, um Wahlhelfer, -lokale und -urnen zu schützen. Beim Votum 2013 waren nur 37.000 Kräfte im Einsatz. Armeesprecher General Asif Ghafoor versicherte zwar, dass das Militär seine Rolle in einer "nicht-politischen und unparteiischen Weise" ausführen werde, doch wollten Gerüchte nicht verstummen, die Armee werde die Abstimmung manipulieren, um Sharifs politischen Gegenspieler Imran Khan zum nächsten Regierungschef des islamischen Landes zu machen.

Der 68-jährige Nawaz Sharif, dreifacher Ex-Regierungschef, und Gründer der Pakistan-Muslim-Liga, pflegt seit Jahren ein angespanntes Verhältnis zum Militär, das das Land fast die Hälfte seines 71-jährigen Bestehens regierte. Der Politiker, der erst vor einigen Tagen von einem Gericht wegen Korruption zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, wird nun durch seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Shahbaz vertreten, der als Premierministerkandidat der Sharif-Partei antritt.

Nawaz Sharif ist nicht zum ersten Mal im Gefängnis: Er war 1999 als Premier vom damaligen Armeechef, General Pervez Musharraf, in einem Putsch abgesetzt und verhaftet worden. Später durfte Sharif ins Exil nach Saudi-Arabien ausreisen, wo er fast ein Jahrzehnt verbrachte. Bei der letzten Wahl 2013 gelang Sharif dann ein überraschendes politisches Comeback, als seine Partei eine klare Mehrheit erreichte. Seine Regierung, die bis im Mai im Amt war, war trotz Korruptionsvorwürfen und windiger Geschäfte beliebt. Besonders in der bevölkerungsreichen Punjab-Provinz verfügt die Sharif-Partei über eine große Wählerbasis. Für Pakistans Armeeführung, die neben politischen auch großen wirtschaftlichen Einfluss hat und eine schwächere Regierung bevorzugt, ist die andauernde Popularität der PML-N ein Grund zur Besorgnis. Schon 2013 hatte das Militär auf Oppositionspolitiker Khan gesetzt, der sich nun gute Chancen ausrechnet, endlich Premierminister zu werden.

Khan, ein ehemaliger Kapitän der pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft, hat seit 2013 kaum etwas unversucht gelassen, Sharif zu stürzen. Seine Anti-Korruptionspartei Pakistan Tehreek-i-Insaf (PTI) hatte zahlreiche Demonstrationen und wochenlange Streiks gegen die Regierung organisiert und eine ganze Reihe Gerichtsverfahren gegen Nawaz und dessen Familie angestrengt.

Der Name der Sharifs, einer Industriellenfamilie, die mit Stahlproduktion und Landwirtschaft enormen Reichtum angesammelt hat, tauchte 2016 in den sogenannten Panama-Papieren auf, in denen es um Korruption und Steuerhinterziehung ging. Sharif und seine Familie wurden darin beschuldigt, mit Schwarzgeld Luxus-Wohnungen in London gekauft zu haben. Ein Gericht in Pakistan bestätigte die Vorwürfe und disqualifizierte Sharif, der als Premierminister zurücktreten musste.

Medien unter Druck

Politisch war damit Khan der klare Gewinner. Bewerber der Partei von Sharif klagen, dass sie bedrängt werden, das Parteibuch zu wechseln oder auf eine Kandidatur zu verzichten. Shahid Khaqan Abbasi, ein ehemaliger Premierminister und bekannter Politiker der PML-N musste seine Nominierung sogar vor dem Obersten Gericht verteidigen, um überhaupt in seinem Wahlkreis antreten zu können. "Die Gerichte und die Wahlkommission machen diesen Urnengang zu einer umstrittenen Abstimmung", klagte er.

Gleichzeitig stehen Pakistans Medien unter Druck, positiv über die Partei von Imran Khan zu berichten. Der Vorsitzende der liberalen Medienorganisation "Dawn", Hameed Haroon, beklagte in der "Washington Post" einen "bislang beispiellosen Angriff auf die Pressefreiheit" durch das Militär und beschrieb die Chancen einer freien und fairen Wahl als gering. "Bestimmte Kräfte wollen die Medien daran hindern, eine unabhängige Berichterstattung über die zentralen politischen Probleme zu liefern", sagte er. Auch Pakistans Menschenrechtskommission äußert Zweifel an einem freien und fairen Votum.

Zudem kritisiert die Wahlbeobachtermission der Europäischen Union, dass die Visavergabe für die Mission verschleppt wurde und die Langzeit-Beobachter, die gewöhnlich bereits sechs Wochen vor dem Urnengang ins Land reisen, erst vor einigen Tagen nach Pakistan aufbrechen durften. Auch überschatten blutige Terrorattentate den Wahlkampf: Bei Anschlägen auf Wahlveranstaltungen starben bisher fast 200 Menschen - darunter bekannte Politiker wie Haroon Bilour und Siraj Raisani. Pakistan geht einer trüben Wahl entgegen.