Es ist ärgerlich, dass der ORF in Fragen der Luftfahrt bevorzugt Nikolaus Lauda als Experten zu Wort kommen lässt. Diese kritische Anmerkung soll dessen Verdienste nicht schmälern, aber es müsste doch dafür auch andere geben, zumal bei einem selbst unternehmerisch Tätigen Interessenverfangenheit die Objektivität trüben kann.
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So zuletzt geschehen, als es um die Flugverbote wegen der Vulkanasche ging. Da schilderte Lauda in einem Interview zunächst wortreich, wie gefährlich diese sei, um einige Tage später lautstark zu verkünden, die Sperre des Luftraums sei "eine totale Fehlentscheidung" gewesen. Dieser Meinungsschwenk hat natürlich seine Logik, denn er soll einer Finanzhilfe des Staates an die Luftfahrtunternehmen den Boden bereiten.
Prompt setzte der ORF die Verkehrsministerin auf die mediale Anklagebank, wo sie sich gegen die Attacken des Besitzers von Fly Niki verteidigen musste. Leider tat sie dies zwar überzeugend, doch viel zu zahm, denn sie hätte die Dreistigkeit der Vorgangsweise offenlegen müssen. Wenn auch andere Flugunternehmen angeblich sogar eine Klage gegen die Behörden erwägen, muss man sie zunächst daran erinnern, dass Haftung Schuld voraussetzt und diese wiederum eine Rechtswidrigkeit. Doch gegen welches Gesetz hätten die Zuständigen verstoßen? Wären sie nicht umgekehrt zur Verantwortung zu ziehen, wenn die von Lauda so drastisch geschilderten Schäden an den Flugzeugen ein Unglück ausgelöst hätten?
Kann ich vielleicht demnächst die Republik klagen, weil eine Straße aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste und ich durch einen Umweg ein Geschäft versäumte? Marktwirtschaft erfordert, dass freie Unternehmer die Menschen mit Gütern und Dienstleistungen versorgen. Sie können und sollen dabei Gewinn machen, dieser ist der Motor erfolgreichen Wirtschaftens. Aber sie müssen umgekehrt auch ihr Risiko tragen und dafür vorsorgen.
Nun wird offenbar eine neue ökonomische Regel eingeführt: Mache ich Profit, gehört er mir, schreibe ich Verluste, übernimmt diese der Staat. Im alten Rom nannte man das eine Societas Leonina, also eine "Löwengesellschaft". Sie wird offenbar nach der Staatshilfe an die Banken als neues ökonomisches Erfolgsmodell angestrebt.
Allerdings begäbe sich die Republik in eine fatale Situation, wenn sie dem nachgäbe. Scheitern Kleinbetriebe und gehen dort Arbeitsplätze verloren, zuckt der Staat die Achseln. Er geht aber in die Knie, wenn entsprechender Druck gemacht wird. Eine Pervertierung des Gemeinwohldenkens könnte entstehen: An jedem Übel und Unglück ist die Allgemeinheit schuld und muss dafür haften und zahlen.
Anscheinend leisten nach Popularität haschende Politiker gegen diese Mentalität immer weniger Widerstand. Wie sehr sie damit gegen die Prinzipien von Verantwortung und Gerechtigkeit verstoßen, scheint ihnen (noch) nicht bewusst zu sein.
Herbert Kohlmaier war führender Politiker der ÖVP mit dem Spezialgebiet Sozialpolitik. Zuletzt wirkte er als Volksanwalt.