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Eine Übermacht der Nein-Sager

Von Walter Hämmerle

Analysen

Analyse: Auf Faymann und Spindelegger wartet viel interne Überzeugungsarbeit.


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Wien. Wer sie auf seiner Seite weiß, dem muss in Österreichs Innenpolitik nicht bang werden: Gewerkschafter, Beamte, Bauern, ÖAAB, Wirtschaftsbund, Arbeiterkammer, Industrie und natürlich die Länder - wo diese stehen, darf man mit einigem Recht eine strukturelle Vetomacht in Österreich vermuten.

Blöd nur, dass jede dieser Interessengruppierungen in der einen oder anderen Form mit den diversen Spar- beziehungsweise Steuererhöhungsideen, die derzeit in den Hinterzimmern dieser Republik mit Eifer diskutiert werden, ein Problem haben, teilweise sogar ein erhebliches. Es wird an Werner Faymann und Michael Spindelegger liegen, diese verqueren und die beiden Regierungsparteien in vielfacher Weise durchschneidenden Interessenlagen in den kommenden Wochen zu überwinden und ein Sparpaket zu schnüren, das sowohl das internationale wie nationale Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der österreichischen Bundesregierung wiederherstellt.

Ob und wie dieses Unterfangen gelingt, davon könnte durchaus das weitere Schicksal der rot-schwarzen Koalition abhängen: Ein auch nur halbwegs überzeugender Entwurf, nun doch noch - nach dem Motto besser spät, als nie - die strukturellen Budgetprobleme Österreichs anzugehen, böte SPÖ und ÖVP die Chance, sich für den Rest der Legislaturperiode aus ihrer selbst gewählten Handlungsstarre zu befreien. Scheitert auch dieser Anlauf, Gemeinsames vor Trennendes zu stellen, steht den Regierungsparteien bei den Nationalratswahlen 2013 ein schlimmes Erwachen bevor.

Faymann und Spindelegger stehen dabei vor der Herausforderung, zuerst die eigenen Leute auf eine gemeinsame Linie zu bringen. In beiden Parteien regt sich etwa auf Seite der Arbeitnehmer teils erbitterter Widerstand gegen die Einführung einer Schuldenbremse im Verfassungsrang. Für den Kanzler kommen noch widerspenstige Landesparteien wie die oberösterreichische SPÖ hinzu. Insgesamt steht dennoch Spindelegger vor der wesentlich schwierigeren Aufgabe: Die Heterogenität der Volkspartei sucht ihresgleichen in dieser Republik.

Überspitzt ließe sich durchaus formulieren, bei der ÖVP sitzen die Klassenfeinde unter einem Dach. Dass etwa dem ÖAAB klassenkämpferische Parolen durchaus geläufig sind, wie dieses Wochenende erst die um die Stimmen der Delegierten werbende Innenministerin Johanna Mikl-Leitner beim Bundestag des schwarzen Arbeitnehmerflügels bewies. Dem steht der Wirtschaftsbund gegenüber, der am liebsten ausschließlich ausgabenseitig das Budget sanieren würde. Und als wäre es damit nicht schon genug, gesellen sich mit Beamten und Bauern zwei zusätzliche Gruppen zur ÖVP, die den klassischen Widerstreit der Interessen im entwickelten Kapitalismus noch weiter verkomplizieren.

Bisher haben sich weder Faymann noch Spindelegger einen Namen darin gemacht, sich gegen widerstrebende Interessen in der eigenen Partei durchzusetzen. Der Kompromiss bestand stets in therapeutischem Nihilismus - der Hoffnung, dass bestehende Probleme durch Nichtbeachtung früher oder später von selbst verschwinden. Meist dahin gehend, dass die Medien eine neue Sau durchs öffentliche Dorf getrieben haben.

Diesmal jedoch, so viel lässt sich mit Sicherheit jetzt schon sagen, wird diese Strategie nicht funktionieren. Die Aufmerksamkeitsspanne der internationalen Finanzmärkte ist aus hartnäckigerem Stoff als die diesbezügliche allzu nachsichtige innenpolitische Öffentlichkeit. Dabei rächt sich, dass in der Öffentlichkeit viel zu lange der Eindruck erweckt wurde, die Probleme der Euro-Zone gingen das Land nichts an, man könne weiter machen wie bisher.

In diesem angenehmen Selbstbetrug haben es sich all diejenigen wohlig eingerichtet, die unbequemen Änderungen eine kategorische Absage erteilen. Jetzt läuft Faymann und Spindelegger die Zeit davon, sie aus diesem Eck wieder herauszuholen.