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Peter Westenthaler steht wegen einer alten Förderung an die Bundesliga vor Gericht. Am Freitag wird ein Urteil erwartet.
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Wien. Es gab diesen Augenblick im Verfahren gegen Peter Westenthaler, als der Vorsitzende des Schöffensenats aus dem Protokoll einer rund zehn Jahre zurückliegenden Bundesliga-Sitzung zitierte. Beiläufig las er auch die Namen der damals anwesenden Klub-Verantwortlichen vor. Einige dieser Vereinspräsidenten wurden in der Zwischenzeit verurteilt, gegen andere wird ermittelt, wieder andere haben ihre Klubs mehr oder weniger zugrunde gerichtet. Kein einziger der bei jener Sitzung Anwesenden ist heute noch im Amt. Manche Klubs gibt es nicht mehr.
Aus dieser unheilvollen Ära rührt auch der Straftatbestand, der den ehemaligen Ligavorständen Westenthaler und Thomas Kornhoff angelastet wird: schwerer Betrug. Sie sollen dafür gesorgt haben, dass eine öffentliche Förderung für den Nachwuchs zweckwidrig zur Begleichung einer Finanzschuld der Liga verwendet wurde. Heute, Freitag, soll in dem Prozess ein Urteil gesprochen werden, beide Angeklagten erklärten sich unschuldig. Darüber hinaus ist Westenthaler noch in einer zweiten Causa angeklagt, in der es um eine Zahlung der Lotterien an das BZÖ aus dem Jahr 2006 geht.
Finanzielle Hasardeure
Der gesamte Prozess war auch eine Erinnerungsreise in eine Zeit des gelebten Wahnsinns in der Bundesliga, geprägt von der Großmannsucht ihrer Protagonisten. Dorfklubs wollten nach oben und konnten sich trotz Minibudgets auf wundersame Weise Teamspieler leisten. Der FC Tirol wollte in die Champions League und landete am Handelsgericht. Und Frank Stronach wollte Österreich zum Weltmeister machen, stattdessen übernahm er nur die Austria. Doch Stronach wurde auch zum Präsidenten der Liga gewählt, er hatte allen Vereinen zehn Millionen Schilling für Vermarktungsrechte versprochen. Dabei hatten die Klubs diese Rechte bereits verkauft gehabt.
Zu jener Zeit erhöhte sich die Geldmenge in der Bundesliga dramatisch, ohne jedoch Bleibendes zu hinterlassen, sieht man einmal von den Konten der Spieler ab. Sogar von den 200 Millionen Euro, die Stronach in Liga und Vereine steckte, blieb so gut wie nichts Nachhaltiges, kein Stadion, kein Trainingszentrum, keine der Fußballmoderne angemessenen administrativen Strukturen. Und wenn, dann war es öffentliches Geld, das in die Infrastruktur floss. Das Ausmaß der Geldvernichtung war bemerkenswert, zumal der Output sehr gering war.
Ausgerechnet in diese Ära fiel die Vergabe der Europameisterschaft an Österreich und die Schweiz. Für dieses Turnier hatte das Land weder die geeignete Infrastruktur noch eine Nationalmannschaft, die zu Fantasie anregte. Beides musste aufgebaut werden, wofür sich die ohnehin eng mit dem Sport verwobene Politik auch zuständig fühlte, wie Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel im Zeugenstand darlegte: "Wir wollten fördern, damit wir uns nicht blamieren."
Was ebenfalls erzählt wird, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand: Erst das unsinnige Projekt, ein riesiges Stadion in Klagenfurt zu bauen, wo die Bundesliga nur selten zu Gast ist, hat die Euro 2008 möglich gemacht. Linz und Graz waren als Ausrichter ausgefallen. Doch Jörg Haider realisierte sein Hypo-Luftschloss am Wörthersee, die EM konnte stattfinden und die BayernLB ein paar Jahre später einige Millionen überweisen.
Praktisch zur gleichen Zeit lernte Stronach im VIP-Klub der Austria Westenthaler kennen. Vor dem Schöffensenat erinnerte sich der Industrielle: "Er war nett. Ich habe ihm gesagt: ,Du musst dich ein bisschen zivilisierter ausdrücken, dann werden Stellen für dich offen sein.‘" Und so kam es dann tatsächlich. Stronach machte den erklärten Austria-Aficionado zum Vorstand der Liga.
Als Westenthaler kam, hatte die Bundesliga eine von der FC-Tirol-Pleite herrührende Finanzschuld von 1,7 Millionen Euro hängen. Am Ende hätten die ohnehin klammen Vereine dafür gerade stehen müssen, allerdings hatte die Liga einen Trumpf in der Hand, ein Gutachten, wonach die Finanzschuld mit guten Erfolgsaussichten gerichtlich bekämpft werden könne.
Dazu kam es jedoch nie, und genau hier beginnt der Fall mysteriös zu werden. Denn es wurde ein Vergleich erzielt, der laut Aussage des Liga-Anwalts "keinesfalls dem Prozessrisiko" entsprach. Die Liga zahlte 1,2 Millionen, der Anwalt hatte 200.000 vorgeschlagen. Warum? Und vor allem: cui bono?
Rätselhafte Vorgänge
Ein schlechter Vergleich oder gar eine gerichtliche Niederlage wäre für die Finanzprokuratur eine Blamage gewesen, vielleicht sogar mehr. Der Liga-Anwalt vermutete, dass ein Urteil zugunsten der Liga zum Präzedenzfall für andere Pfändungen der Republik hätte werden können. Klingt nicht gerade karrierefördernd für jenen Juristen, der für die Republik verhandelt hatte: Wolfgang Peschorn. Ein paar Jahre später wurde er dann von Finanzminister Karl-Heinz Grasser zum Präsidenten der Finanzprokuratur befördert.
Rund um das Zusammenkommen des Vergleichs und die Gewährung einer öffentlichen Millionen-Förderung passierte allerlei Rätselhaftes. Aufklärung brachte die gerichtliche Aufarbeitung jedoch kaum.
Warum zogen sich bei einer Verhandlung Westenthaler, Peschorn und Grassers Kabinettschef immer wieder zurück und ließen den Anwalt der Liga vor verschlossener Türe warten? Warum umging man Sportstaatssekretär Karl Schweitzer, der sich weigerte, die Förderung zu genehmigen? Dazu gab es merkwürdige Aktenvermerke, die niemand geschrieben haben wollte, Klubpräsidenten erinnerten sich sehr selektiv.
Wie aus Sitzungs-Protokollen hervorgeht, glaubten die Klubchefs auch nicht, dass Westenthaler tatsächlich eine öffentliche Förderung für die Vereine lukrieren wird können. Sie schickten ihn zwar aus, waren dann aber baff, als er ihnen den entsprechenden Nationalratsbeschluss präsentierte. Fragen stellten sie nicht, sie brauchten das Geld. "Geld hat kein Mascherl." Das war von den ehemaligen Präsidenten immer wieder vor Gericht zu hören. Haben sich die Vereine also unmoralisch verhalten? Vielleicht.
Und der ÖFB, über den die Förderung abgewickelt wurde? Auch da war man primär froh, dass die Klubs durch die Förderung besänftigt waren und sich am Ausbildungsprogramm des Verbandes beteiligten, wenn auch demonstrativ ungern. Sein Bauchweh in der Sache versuchte Ex-ÖFB-Präsident Stickler vor Gericht nicht einmal zu verbergen. Doch auch hier: kein echtes Nachfragen.
Förderung mit Wirkung
Der Treppenwitz der Angelegenheit: Die Förderung hat sich für den österreichischen Fußball als goldrichtig und wertvoll erwiesen. Die finanzmaroden Vereine, die sich vom ÖFB keine Nachwuchsförderung aufs Auge drücken lassen wollten, waren mit der Million fürs Erste zufrieden. Der ÖFB konnte sein Projekt weitgehend in Ruhe durchziehen und hatte auch recht bald Erfolge mit den Nachwuchs-Auswahlen. Dann kam der vierte Platz bei der U20-WM, der sehr viel im heimischen Fußball veränderte. Die einst über die Ideen des ÖFB nur murrenden Klubchefs, die ihre Spieler auf dem europäischen Großmarkt für Fußballer einkauften, begannen umzudenken. Die jungen Spieler waren nicht nur günstiger, sie waren auch häufig besser und konnten mit höheren Margen verkauft werden. Auf einmal witterten die Klubs ein Geschäft.
Nach der Euro 2008 wurde die Ausbildung der Talente nicht mehr zurückgefahren. Die Klubs begannen eher zu konkurrieren, wer seine Talente besser fördert. Dem österreichischen Fußball hat das jedenfalls nicht geschadet, die Anzahl der Legionäre ist groß wie nie. Aus dem aktuellen Nationalteam-Kader absolvierten 17 von 23 Spielern eines der Förderprogramme des Verbandes. Wäre die rätselhafte Genese dieser Förderung nicht, man müsste geradezu von einem Musterbeispiel einer Impulsförderung mit großem Nachhaltigkeitseffekt sprechen.
Eines muss sich Westenthaler aber jedenfalls vorwerfen lassen: Auch er wurde von der Großmannssucht befallen, kaum war er im Bann der Bälle. Die Ausgaben der Liga für Personal und Veranstaltungen schnalzten unter ihm von 1,3 Millionen auf mehr vier Millionen hinauf. "Wer mit dem Adler kreisen will, darf nicht mit den Hühnern picken", hatte Frank Stronach stets verkündet. An diese Regel hielten sich damals: alle.