George Soros’ Stiftungsverbund schließt sein Büro in Ungarn. Die renommierte Universität will unbedingt in Budapest bleiben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Budapest/Wien. Antisemitischen Verschwörungstheorien zufolge vereinen Juden nicht nur unüberwindbare Gegensätze wie Kommunismus und Kapitalismus. Sie ziehen die Fäden in Politik und Wirtschaft, beherrschen die Welt. Wäre George Soros, der laut Ungarns Premier Viktor Orbán und seiner Helfershelfer einen Plan zur Unterwanderung der christlichen EU mit Millionen muslimischen Flüchtlingen verfolgt, tatsächlich dermaßen mächtig: Wieso halten Soros’ "Open Society Foundations" (OSF) nicht dem Druck der Regierung eines Zehn-Millionen-Landes stand?
Der Stiftungsverbund schließt sein Büro in Budapest und zieht nach Berlin. "Die ungarische Regierung hat unsere Arbeit verleumdet und falsch dargestellt und die Zivilgesellschaft für politische Zwecke unterdrückt", erklärte Stiftungspräsident Patrick Gaspard die Abwanderung. "Es ist unmöglich, die Sicherheit unserer Operationen und Mitarbeiter in Ungarn vor willkürlicher Einmischung der Regierung zu gewährleisten." Rund 100 Mitarbeiter sind betroffen.
NGOs berichten, worüber Orbán-nahe Medien schweigen
Die weltweit operierenden OSF würden aber weiterhin Organisationen in Ungarn unterstützen, kündigte Gaspard an. Von einem "Scheinrückzug" spricht daher der Kommunikationsdirektor von Orbáns Partei Fidesz. Tatsächlich verliert die ungarische Zivilgesellschaft vor Ort einen zentralen Akteur, der Programme im Sinne einer offenen, pluralistischen Gesellschaft für Menschenrechte, Bildung, Gesundheit oder Pressefreiheit unterstützt. Genau dieser liberale Ansatz ist Orbán ein Dorn im Auge - wie auch Politikern in Russland, Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Rumänien und nicht zuletzt Israels Premier Benjamin Netanjahu. Aufseiten der Linken wird Soros für seine Tätigkeit als Hedgefonds-Manager und Spekulant verurteilt, die Basis für die Philanthropie ist. Wie Soros zu seinem Vermögen gekommen ist, muss kritisch betrachtet werden. Auffällig ist jedoch, dass diese Kritik bei anderen Finanzmogulen ausbleibt. Im Fall von Soros vermengen sich politische, wirtschaftliche und religiöse Ressentiments, die im linken und rechten Spektrum anschlussfähig sind.
Noch vor knapp einem Monat dementierten OSF den Weggang aus Ungarn. Erst wolle man das "Stop Soros" genannte Gesetzespaket der Regierung abwarten. Über das Vorhaben wurde zwar noch nicht im Parlament abgestimmt. Doch ausgestattet mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit nach der Wahl im April, kann Orbáns Fidesz ohne Absprache mit anderen Parteien ihren Kurs verfolgen.
Der Gesetzesentwurf sieht eine 25-prozentige Steuer auf ausländische Gelder für Organisationen vor, die "illegale Einwanderung unterstützen". Ausländern droht ein Aufenthaltsverbot, wenn sie im Verdacht stehen, die Einreise von Asylwerbern zu fördern. Und missliebigen Ungarn könnte untersagt werden, sich der Grenze zu nähern. Bei vermögenden Personen ist der Premier hingegen nicht wählerisch, ob sie Muslime sind: Wer 300.000 Euro in ungarische Staatsanleihen investiert, erhält einen Aufenthaltstitel.
Mit dem Flüchtlingsthema überdeckt Orbán, dass die NGOs weit über Migration hinaus arbeiten. Sie zeigen eklatante Mängel im Gesundheits- und Schulwesen und endemische Korruption auf - worüber die gleichgeschalteten staatlichen und die privaten Medien im Besitz von Orbán-nahen Oligarchen schweigen.
Daher beschloss die Regierung im vergangenen Jahr ein NGO-Gesetz, um Kritiker zu delegitimieren. Wer mehr als 24.000 Euro pro Jahr aus dem Ausland erhält, muss sich "vom Ausland unterstützte Organisation" nennen. Die EU-Kommission sieht darin Verstöße gegen Bestimmungen zum freien Kapitalverkehr, gegen die Rechte auf Vereinigungsfreiheit, auf Schutz der Privatsphäre und auf den Schutz personenbezogener Daten. Sie hat Ungarns Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Parallel zu den nun drohenden weiteren Gesetzen gegen missliebige NGOs wurde in den vergangenen Wochen die Kampagne gegen Soros verstärkt. So veröffentlichte das regierungsnahe Magazin "Figyelö" nach der Wahl eine Liste von 200 "Leuten des Spekulanten". Darunter befindet sich auch der österreichische Politologe Anton Pelinka von der Central European University (CEU).
Möglicher US-Botschafterin Ungarn unterstützt CEU
Ungarns Regierung will die renommierte Hochschule, seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Budapest beheimatet, aus dem Land treiben. Denn die CEU wird maßgeblich von den OSF finanziert. Orbáns Apologeten bezeichnen sie als "Soros-Universität" und insinuieren, der Geldgeber würde Lehrpläne und Forschungsvorhaben diktieren. Noch gibt die Universität nicht auf: Am Dienstag zeigte sie sich "entschlossen", zu bleiben. Das sollte ein nivelliertes Hochschulgesetz 2017 verhindern, doch folgte ein internationaler Proteststurm - auch in den Vereinigten Staaten, wo die Uni akkreditiert ist. Laut CEU fehle nur die Unterschrift der ungarischen Regierung im Vertrag mit dem Bundesstaat New York, um den Fortbestand der Uni in Ungarn zu fixieren. Dem ungarischen Portal "HVG" zufolge habe sich David Cornstein, Kandidat von US-Präsident Donald Trump für den Botschafterposten in Ungarn, bei seinem Hearing im US-Senat für die CEU stark gemacht.
Die Uni baut derweil vor. Sie hat mit der Stadt Wien eine Absichtserklärung verkündet, die Hauptstadt soll weiterer CEU-Standort werden. Sollte sich die Lage in Ungarn zuspitzen, könnte Wien - analog zum OSF-Büro in Berlin - Zufluchtsort werden. Und damit noch mehr innenpolitisches Thema: "Völlig entbehrlich" sei die CEU, so die FPÖ. Am Dienstag herrschte jedoch Schweigen bei Klubobmann Johann Gudenus, der von "stichhaltigen Gerüchten" für den "Soros-Plan" sprach und dafür heftig kritisiert wurde. Er wollte sich nicht zu Open Society Foundations äußern. Beate Meinl-Reisinger (Neos) kritisierte deren "erzwungenen Rückzug".