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Eine Universitätsreform mit Fallen

Von Ada Pellert

Politik

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Von der noch vor einigen Jahren beklagten mangelnden politischen Beachtung des Bildungs- und Wissenschaftsbereiches kann keine Rede mehr sein. Die Universitäten sehen sich seit geraumer Zeit einem Reformstakkato und allerlei (partei-)politischen Begehrlichkeiten ausgesetzt. Die dadurch entstandene Mischung aus Chaos und Missstimmung enthält etliche Fallen, die dem inhaltlichen Ziel der Qualitätssteigerung im Wege stehen.

Implementierungsfalle:

Die Umsetzung des Gesetzes erfordert enorme Zusatzaktivitäten innerhalb weniger Monate: "Scheidungsverhandlungen" mit den neu entstandenen medizinischen Universitäten, IT/(SAP)gestützte Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens, die erstmalige Vorbereitung eines Kollektivvertrages oder die gleichzeitige Ausschreibung aller Rektorate.

Budgetfalle:

Die niedrigsten Budgets seit Jahren bei gleichzeitig erheblichen administrativen Zusatzkosten lassen die positiven Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, in den Hintergrund treten. Ohne budgetäre Absicherung kann man sich jede Organisationsreform sparen, denn dann drohen Abwanderung und Qualitätsverlust.

Rhetorikfalle:

Das Ziel der Europäisierung der Bildungssysteme ist rasch unterzeichnet, der Begriff der Weltklasse-Uni schnell geprägt. Real existierende arbeitsrechtliche Mobilitätshemmnisse (wie ungeklärte Anrechnungen von Pensionsanwartschaften oder das Ende der Pragmatisierungen) führen derzeit dazu, dass die Immobilität einen - individuell nachvollziehbaren, kollektiv betrachtet aber schädlichen - Höchststand erreicht hat. In Aussicht gestellte, den Übergang der Modelle ausbalancierende Begleitprogramme (neue Professuren, Pensionskassen, Zusatzbudgets) sind nicht vorhanden.

Managementfalle:

Professionalisierte Managementformen werden zunehmend wichtig, auch zur Entlastung der Lehrenden und Forschenden. Daher sollte man sich bei der Besetzung von Leitungsposten weniger von ständischen Gesichtspunkten (Dominanz der ProfessorInnen), sondern eher von der Frage der Leitungskompetenz leiten lassen. Die Universitäten brauchen gute Lehrende, gute Forschende und gute ManagerInnen - selten fallen diese Begabungen in einer Person zusammen. Außerdem darf sich Management nicht in der Etablierung neuer Verwaltungsroutinen erschöpfen.

Interventionsfalle:

Die neu entstandenen Universitätsräte versuchten sich in den letzten Monaten in kontroversiellen Kennenlernübungen, in Kraftproben mit den universitären Gründungskonventen und in der Kunst der Personalauswahl. Sie werden erst dann etwas zu Qualitätssteigerung im Universitätssystem beitragen können, wenn sie sich zu handlungsfähigen Gremien entwickeln, mit entsprechender Distanz zur (Partei-)Politik und universitären Partialinteressen.

Selbstbeschäftigungsfalle:

Es ist zu hoffen, dass Hochschulen nicht nur durch das Thema Organisationsreform (oder gar parteipolitisch motivierte Inseratenkampagnen wie kürzlich beim Thema Pensionsreform), sondern auch durch fundierte inhaltliche Beiträge zur gesellschaftlichen Entwicklung in die Medien kommen.

Das Ministerium war überwiegend mit neuen Geschäftsordnungen und Zwangspensionierungen beschäftigt, wäre aber gefordert, sich rasch um die nach wie vor fehlenden Rahmenbedingungen wie etwa dem tatsächlichen Erreichen der angepeilten Forschungsquote, der Klärung der Beziehung zu den Fachhochschulen, adäquate Formen der Qualitätssicherung etc. zu kümmern.

Die Beseitigung der angefügten Fallen könnte - auch international beachtete - interessante Wege der Universitätsentwicklung öffnen, vor allem, wenn sie von einem grundsätzlichen Respekt für die Besonderheiten des Hochschulbereiches begleitet wird.

Ada Pellert ist Vizerektorin für Lehre, Personalentwicklung und Frauenförderung an der Universität Graz