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Eine unmögliche Vision

Von Walter Hämmerle

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Das Beispiel der deutschen FDP führt drastisch vor Augen, dass auch etablierte Parteien vom Wähler mit Platzverweis bedroht sind. In Österreich ließe sich das nicht einmal denken.


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Parteien entstehen und können auch wieder verschwinden. Für Italiener und Franzosen mit ihren ewig im Umsturz befindlichen Parteiensystemen eine Binsenweisheit, in Österreich haben es Neugründungen eher schwer: Die Grünen brauchten Jahrzehnte, um sich als vierte Kraft zu etablieren, die Liberalen haben es oft versucht und nie geschafft; und hinter dem BZÖ steht noch immer ein Fragezeichen.

Am Beispiel der FDP lässt sich derzeit trefflich beobachten, wie eine Partei agiert, die von der Angst ums politische Überleben angetrieben wird; die fürchten muss, von den Wählern verstoßen zu werden, ohne dass ihr Fehlen als Verlust wahrgenommen würde. Weil eben Themen nicht Eigentum einer Partei sind.

Dass dies kein exklusives Problem kleinerer Parteien ist, zeigt das Schicksal der SPD in einigen Bundesländern, wo sie etwa - wie jetzt in Baden-Württemberg - zum Mehrheitsbeschaffer der Grünen degradiert wurde; und in einigen neuen Bundesländern kämpft sie gegen eine Marginalisierung durch die Links-Partei.

Was wäre, wenn in Österreich eine der etablierten Parteien plötzlich in den Orkus der Bedeutungslosigkeit gestoßen würde? Würde dem Land, seiner politischen Kultur etwas fehlen, oder würde nicht vielmehr die entstandene Lücke von nachrückenden beziehungsweise bestehenden Parteien gefüllt?

Allein schon der Gedanke, sich Österreich ohne SPÖ oder ÖVP vorzustellen, grenzt an jene Form des Visionären, für die ein Ex-Kanzler ärztlichen Rat angeraten hatte. Immerhin waren es die Parteien, die an der Wiege der Zweiten Republik standen - nicht umgekehrt. Entsprechend haben beide - mittlerweile ehemaligen - Großparteien auch vom Land und seinen Institutionen in vielerlei Form Besitz ergriffen: Bis auf wenige Ausnahmen sind sämtliche Verwaltungsbehörden, Höchstgerichte sowie staatsnahen Unternehmen von Rot und/oder Schwarz dominiert.

Das ist der machtpolitische Aspekt an der unmöglichen Aufgabe, sich Österreich ohne SPÖ und ÖVP vorzustellen. Etwas anderes ist es sich zu fragen, welche wichtigen Themen dann verschwinden würden.

Die SPÖ wird traditionell mit sozialer Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung assoziiert, ihre treuesten Wähler sind gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer und Pensionisten. Eine - allerdings kammerstaatlich gezügelte - wirtschaftsfreundliche Politik sowie Lobbyismus für Beamte und Bauern gelten als letzte Domänen der ÖVP.

Für all diese Themen und Gruppen würden sich bei Bedarf Ersatz-Fürsprecher finden - notfalls käme eben das Prinzip Selbstorganisation zum Tragen.

Die längste Zeit galt als Atout von Volksparteien, dass sie eben nicht zu Lobbyisten von Partikularinteressen verkommen, sondern das größere Ganze im Auge behalten. Mit der Schrumpfung zu Mittelparteien nutzen SPÖ und ÖVP ihre Vetomacht in sämtlichen Fragen zur Wahrung von überkommenen Privilegien ihrer verbliebenen Kernschichten. Und erhalten sich so zumindest ihren Status als Mittelparteien. Das ist so ziemlich das schlechteste aller möglichen Szenarien.

Leichter ist es, sich Österreich ohne die FPÖ vorzustellen. Immerhin träumen wohl 50 Prozent der Bürger vom spurlosen Verschwinden der Rechtspopulisten. Um die Themen müsste man sich auch keine Sorgen machen: SPÖ und ÖVP haben zur Genüge bewiesen, dass sie allzeit bereit sind, in die Bresche zu springen.

Ganz im Gegensatz zur FPÖ würden wohl die meisten Medien bei Ableben der Grünen mit Trauerflor erscheinen. Aber die beste Lebensversicherung für Blau wie Grün ist ohnehin beider Ausschluss von Regierungsverantwortung. Die kann bisweilen letal enden - siehe FPÖ oder jetzt die FDP.