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"Eine Verharmlosung"

Von Von Iga Mazak

Politik

Kritik an Staatsanwalt vor dem Prozess gegen neun Neo-Nazis.


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Wien. Am Dienstag beginnt der Prozess gegen neun Neo-Nazis, die vor knapp einem Jahr das kurdisch-türkische Vereinslokal ATIGF überfielen. Mit rund 20 anderen Personen brachen die Angeklagten mit Holzstangen bewaffnet in das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Favoriten ein, um dort gegen Mitglieder des Vereins gewalttätig vorzugehen. Überrascht von der Überzahl der Anwesenden ergriffen sie die Flucht. Zuvor wurde noch ein Vorstandsmitglied im Stiegenhaus krankenhausreif geprügelt. Angeklagt werden bei dem Prozess auch zwei Personen, die den Neo-Nazis bei der Flucht gefolgt sind und einen der Angreifer ebenso krankenhausreif prügelten.

Die Anklage durch Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter spricht nun von "schwerer Körperverletzung" auf beiden Seiten und "Hausfriedensbruch" durch die Neo-Nazis. Der Verdacht auf Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes wurde hingegen fallengelassen. Die "Offensive gegen Rechts" (OgR) kritisiert diese Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft würde die Vorfälle runterspielen und zu einem "simplen Raufhandel" bagatellisieren. "Es war pures Glück, dass nicht mehr Menschen verletzt wurden", erklärt Karin Wilfingseder vom Bündnis "Offensive gegen Rechts". Darüber hinaus übt sie Kritik daran, dass sich zwei der Gewerkschaftsmitglieder, die sich den Angreifern entgegengestellt hatten, nun selbst auf der Anklagebank wiederfinden. "Der Prozess ist ein einziger Justizskandal und Kronawetter muss weg", so Wilfingseder.

Traumatisierte Kinder

Rund 70 Personen, darunter viele Familien, waren am 27. Oktober 2013 im EKH versammelt. ATIGF hatte zum Sonntagsbrunch geladen, Kinder spielten, es wurde gegessen und geplaudert. Die Stimmung war entspannt. Die vordringenden Schlägertruppen, die gewaltsam die große Eingangstür zum Kulturzentrum aufgebrochen hatten, wurden erst sehr spät wahrgenommen.

Als der Gewerkschafter der Gruppe KOMintern Rudolf F. die Räumlichkeiten der Feiernden verließ, traf er unerwartet auf die rund 30 bewaffneten Männer, die sofort auf ihn einschlugen. Der Mittsechziger wurde mit einer Schädelprellung und einer Rissquetschwunde unter dem Auge ins Krankenhaus eingeliefert und ist seither arbeitsunfähig. Zwei Kinder, die zufällig Zeugen der Szene wurden, sind bis heute schwer traumatisiert und leiden unter Schlafstörungen.

Auch für die Arbeiterkammerrätin der KOMIntern Selma Schacht ist es unverständlich, wie aus dem Vorfall lediglich die Anklage der Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs entstehen konnte.

"Es ist klar, dass alle Mitglieder der Gruppe, dem Austria-Fanklub ‚Unsterblich‘ angehören", sagt Schacht. "Unsterblich" sei für seinen rassistischen und neonazistischen Hintergrund allgemein bekannt. Auf der Tribüne wurden regelmäßig Sprüche wie "Adolf Hitler ist mein Freund" skandiert. Der Gruppe wurde mittlerweile der Status als offizieller Fanklub der Austria aberkannt.

Neo-Nazis, nicht Fußballfans

Die Mitglieder von "Unsterblich" waren bei ihrer Verhaftung "amtsbekannte Schläger" und mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft - auch aufgrund von Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, sagt Wilfingseder. "Hier von rabiaten Fußballfans zu sprechen, kann nur als gezielte Verharmlosung interpretiert werden", meint sie. Vielmehr sei es eine "organisierte, rechtsradikale Schlägerbande", bekräftigt Kollegin Schacht. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei auffallend behutsam.

Die "Offensive gegen Rechts" (OgR) kritisiert, dass die Angreifer nach dem Überfall zwar angezeigt, jedoch nicht festgenommen wurden.

Für die mitangeklagten beiden Gewerkschafter wird am 16. September für 18 Uhr zu einer Solidaritäts-Demonstration vor der Universität Wien aufgerufen.