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Bei der VfGH-Verhandlung über die Wahlanfechtung zeigt ein Bezirk, dass es nicht chaotisch ablaufen muss.
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Wien. Wer dieser Tage ein Lob des VfGH-Präsidenten erhält, der kann sich getrost zu den Exoten zählen. Denn meist blickt Gerhart Holzinger in der seit Montag laufenden Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs zur FPÖ-Wahlanfechtung der Bundespräsidentenwahl gestrenge in die Runde, manchmal macht er auch keinen Hehl aus seinem Unmut einem Zeugen gegenüber. Doch am Mittwoch wurden die Mitglieder gleich zweier Bezirkswahlbehörden mit dem Status des Exoten geadelt: "Aus der Erfahrung von drei Tagen Zeugeneinvernahmen möchte ich Ihnen sagen, dass es in Ihrem Fall exzellent abgelaufen ist", sagte Holzinger zum Liezener Bezirkswahlleiter Josef D.
Denn die FPÖ hat zwar das Ergebnis auch in diesem Bezirk angefochten, doch der Beweis für die angenommenen Unregelmäßigkeiten löste sich bei der Einvernahme des freiheitlichen Beisitzers in Luft auf. Er hatte zunächst angegeben, dass die Kuverts mit den Wahlkarten schon vor 9 Uhr am Montag nach der Wahl geöffnet wurden - ein klarer Gesetzesverstoß. Doch bei seiner Befragung durch die Höchstrichter revidierte er diese Aussage: Die Sitzung der Bezirkswahlbehörde sei ordnungsgemäß um 9 Uhr eröffnet worden, erst dann habe er offene Wahlkarten bekommen. "Es wäre durchaus möglich, dass die Karten erst ab 9 Uhr geöffnet wurden", meinte der Besitzer, der auch betonte, dass alles korrekt abgelaufen sei.
Das Lob der Richter verdiente sich Wahlleiter D. mit seiner Schilderung des Auszählungsprozesses: Der Wahlleiter war durchgehend anwesend, schon am Wahltag gab es eine Sitzung, in der festgelegt wurde, dass die Auszählung der Wahlkarten am nächsten Tag erfolgen würde. Sie wurden erst ab 9 Uhr in Anwesenheit aller Beisitzer geöffnet, die in der Folge gemeinsam die Stimmen auszählten. "Wir haben uns gedacht, dass es ein harter Tag wird", sagte D. vor dem Hintergrund der Tatsache, dass 9000 Wahlkarten auszuzählen waren. Aber die Beisitzer hätten sehr gut und effizient gearbeitet. Um etwas 13 Uhr war man fertig. Ohne die Wahlkarten schon vorab zu öffnen.
Schlitzen versus Öffnen
Ganz anders verlief die Sache im Bezirk Graz-Umgebung, obwohl auch der dortige Wahlleiter, Burkhard T., von Holzinger mit Lob
bedacht wurde - für seine Ehrlichkeit und seine Bereitschaft, Verantwortung für das Schlamassel zu übernehmen. "Sie haben mein Vertrauen in das Berufsbeamtentum wiederhergestellt", meinte der leidgeprüfte VfGH-Präsident. In Graz-Umgebung wurden die ersten Wahlkarten mit der schon oft erwähnten Schlitzmaschine bereits am Freitag vor dem Wahlsonntag geöffnet, einige am Wahlsonntag, manche am Montag.
Denn in dem Bezirk war man scheinbar völlig überfordert mit der schieren Anzahl der 17.400 Wahlkarten - eine Steigerung von 48 Prozent gegenüber dem ersten Wahlgang. Wahlleiter T. schilderte detailliert den Unterschied zwischen Aufschlitzen und tatsächlichem Öffnen: Durch die feine Klinge der Schlitzmaschine würden die Überkuverts noch derart zusammenkleben, dass man sofort erkennen könne, ob ein Kuvert tatsächlich schon geöffnet wurde oder nicht. Diese Frage könnte auch in allen anderen Fällen, in denen die Karten zu früh aufgeschlitzt wurden, eine Rolle für die Entscheidung der Höchstrichter spielen, ob eine Manipulationsmöglichkeit gegeben war.
Doch nichtsdestotrotz sind die Unregelmäßigkeiten in Graz-Umgebung wohl haarsträubend. Denn das Gesetz sieht auch vor, dass die Mitglieder der Bezirkswahlbehörde die Karten auszählen, in dem Bezirk wurde das aber schon seit einem Beschluss 2013 immer durch Beamten der Bezirkshauptmannschaft erledigt. Nur wegen eines Hilferufs des Wahlleiters ob der schieren Menge der Karten waren am 23. Mai auch zwei Beisitzer bei der Zählung dabei. Immerhin: Bei allen Vorgängen in Graz-Umgebung war immer einer der Wahlleiter anwesend. T. bat um Verständnis:
"Wirklich unter Druck"
"Wir haben uns wirklich unter Druck gefühlt, rasch fertig zu werden, weil der Innenminister das Ergebnis verkünden wollte".
Ob diese Handlungen auch die Gefahr der Manipulation in sich tragen, werden die Verfassungsrichter beurteilen müssen. Am Mittwochnachmittag zogen sie sich jedenfalls zu einer ersten Beratung zurück, am Donnerstag und bei Bedarf auch am Freitag werden die letzten Zeugen aus den Wahlbehörden geladen, bevor kommende Woche die Parteienvertreter aussagen.