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Eine Wahl mit vielen Unbekannten

Von Brigitte Pechar

Europaarchiv

Bei der EU-Wahl am 13. Juni könnte die Wahlbeteiligung in Österreich erstmals unter die 40-Prozent-Marke fallen. Chancen, stimmenstärkste Partei zu werden, können sich derzeit sowohl Sozialdemokraten als auch die Volkspartei ausrechnen. Viel wird abhängen von der Mobilisierung. Die "Wiener Zeitung" hat die beiden Meinungsforscher Günther Ogris (SORA) und Peter Paul Hajek (OGM) befragt.


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"Alles, was über 50 Prozent ist, würde mich überraschen", rechnet Hajek mit einer niedrigen Wahlbeteiligung. Tatsächlich wäre es für ihn schon "fast ein Erfolg, wenn ein Vierer davor steht". Direkt abgetestet hat OGM die Wahlbeteiligung nicht, aber bei der Sonntagsfrage zu den National- und Bundespräsidentschaftswahlen gaben zuletzt fünf bis acht Prozent der Befragten an, nicht wählen zu gehen; bei der Sonntagsfrage zur EU-Wahl waren es bemerkenswerte 17 Prozent. Hajek meint daher, es könnte sogar eine Wahlbeteiligung unter 40 Prozent ins Haus stehen.

Nicht ganz so dramatisch sieht Ogris die Situation. Er spekuliert mit 40 bis 50 Prozent.

Die großen Unbekannten sind aber das lange Feiertagswochenende und der Mobilisierungsgrad. Hier haben ÖVP und Grüne den Vorteil, dass ihre WählerInnen eher offen gegenüber Europa sind als SPÖ- und FPÖ-Wähler. Allerdings kommt nun Hans Peter Martin ins Spiel. Er wird laut Hajek potenzielle Nichtwähler ins Spiel bringen. Andererseits, so Ogris, gelingt der SPÖ die Mobilisierung derzeit besser. Sie hat bei dieser Wahl den Vorteil aller Oppositionsparteien: "Jeder Regierende in der Union muss damit rechnen, dass er einen Denkzettel verpasst bekommt."

Ob die Attacken des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider gegen den SPÖ-Spitzenkandidaten Hannes Swoboda, der auch als EU-Parlamentspräsident im Gespräch ist, Auswirkungen haben, wurde von den beiden Instituten noch nicht abgetestet. Während Hajek aber von keinen starken Effekten ausgeht, "weil die Attacken schon ins Absurde abgleiten", rechnet Ogris damit, dass der nicht allzu hohe Bekanntheitsgrad Swobodas steigt und dessen Positionierung klarer wird.

Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures sieht einen kleinen Vorteil für Swoboda in dieser Diskussion: "Sein politisches Profil wird stärker herausgearbeitet." Das ändere aber nichts daran, dass eine derartige Diffamierung demokratiepolitisch abzulehnen ist, betont Bures: "Deshalb kann ich auch nicht froh sein."

Bei SORA liegt die SPÖ in den Umfragen vor der ÖVP, die Grünen und Hans Peter Martin streiten um den dritten Platz. Laut OGM haben sowohl SPÖ als auch ÖVP noch die Möglichkeit, die Wahl für sich zu entscheiden. Sie liegen beide bei etwa 30 Prozent.

Die Grünen könnten ihren zehn-Prozent-Anteil vom letzten Mal halten. Für Hans Peter Martin wären zehn Prozent "ein toller Erfolg", allerdings gibt Hajek zu bedenken, dass ihm zum Schluss "die Luft ausgehen könnte". Das meint auch Ogris: Schließlich habe HPM keinen Parteiapparat hinter sich und er bezweifelt dass diejenigen, die Martin mit seiner "Anti-Privilegien-Kampagne" anspricht, auch wählen gehen.

Was die FPÖ betrifft, sind sich beide Meinungsforscher ziemlich einig: Sie wird wahrscheinlich nur ein Mandat schaffen. Und da deute alles auf eine "Kannibalisierung innerhalb der FPÖ hin", wie Hajek es ausdrückt. Die FPÖ verfüge über keinen klassischen Parteiapparat, "was sie hat, sind die alten Netzwerke wie Burschenschaften". Und diese kann der Parteiideologe Andreas Mölzer voraussichtlich so für sich mobilisieren, dass es ihm gelingt, den von der Parteiführung erst gereihten Hans Kronberger zu verdrängen und statt diesem nach Brüssel zu gehen.