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Eine Wahl ohne Entscheidungen

Von Georg Friesenbichler

Politik
Er tritt zwar nicht an, ist aber auf den Plakaten (links) jugendlich präsent: Präsident Hosni Mubarak. Foto: ap

Konkurrenzkampf in Regierungspartei. | Präsidentensohn in Lauerstellung. | Kairo/Wien. Für Kamal al-Shasli war der Wahlkampf zu viel. Unbedingt hatte der 76-Jährige trotz schwerer Krankheit noch einmal am Sonntag in das ägyptische Parlament gewählt werden wollen, dem er schon 46 Jahre angehört hatte - aber die Krankheit war stärker, al-Shasli starb vergangene Woche. | Wiener Zeitung-Interview mit Henner Fürtig, Direktor des Hamburger GIGA-Instituts für Nahoststudien


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Die Beharrlichkeit hatte er mit Hosni Mubarak gemein, der das Land seit nunmehr 29 Jahren als Präsident regiert. Zuletzt herrschte zwischen den langjährigen Weggefährten allerdings Verstimmung. Al-Shasli verlor an Einfluss in der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP), die er 1978 mitgegründet hat, denn er hatte es gewagt, sich mit dem jüngeren Sohn des Präsidenten anzulegen. Gamal Mubarak soll als dessen Nachfolger aufgebaut werden. Als Generalsekretär des politischen Komitees hat der 47-Jährige bereits den drittwichtigsten Parteiposten inne und hat seine Mitstreiter auf wichtigen Regierungsposten platziert.

Neue Flügelkämpfe

Gamal Mubarak, der die Amerikanische Universität in Kairo absolvierte und in London als Investmentbanker arbeitete, gilt als Vertreter des Reformflügels in der NDP, der unter anderem die Parlamentskandidaten einem neuen dreistufigen Auswahlverfahren unterwarf. Das überraschende Resultat: Erstmals bewerben sich um die 508 Parlamentssitze rund 800 Kandidaten der NDP, wodurch in einzelnen Wahlkreisen mehrere Vertreter der Regierungspartei gegeneinander antreten. Manche Beobachter sehen darin nur eine Schein-Demokratisierung, andere meinen allerdings, dass die Partei dadurch eine ihrer großen Stärken verlöre, nämlich den Mangel an internen Fraktionen. Bisher unterwarfen sich die Parteimitglieder willig dem Machtwort des mittlerweile 82-jährigen Präsidenten. Um offene Streitereien zwischen den Flügeln zu vermeiden, verschob Mubarak den für Anfang November geplanten Parteitag kurzerhand auf Dezember.

Manipulation befürchtet

Eine Änderung innerhalb der Regierungspartei ist allerdings die einzige Chance für die Ägypter, ein Mehr an Demokratie zu erleben. Denn Hosni Mubarak hat bisher nicht nur die Partei, sondern den ganzen Staat diktatorisch gelenkt. Opposition gibt es kaum. Mohamed ElBaradei, der nach seinem Rückzug als Chef der Internationalen Atomenergieorganisation zum Oppositionsführer in seiner Heimat werden wollte, hat zum Boykott der Wahl am Sonntag aufgerufen. Seine Begründung: Der Urnengang würde mit Sicherheit manipuliert. Für Wahlfälschungen und Stimmenkauf spricht einiges: Ägypten hat den US-Appell, internationale Wahlbeobachter zuzulassen, schlichtweg abgelehnt.

Dem Boykott-Aufruf nicht angeschlossen hat sich indessen die Muslimbrüderschaft, schon bisher die stärkste Oppositionskraft, deren Unterstützung ElBaradei gesucht hat. Die islamistische Gruppierung ist zwar offiziell verboten, ihre Mitglieder treten aber als unabhängige Kandidaten zur Wahl an. 2005 haben sie damit schon einen bedeutenden Erfolg errungen und rund 20 Prozent der Mandate erobert.

Druck auf Muslimbrüder

Das Mubarak-Regime will alles tun, damit sich das nicht wiederholt. Wieder wurden die Muslimbrüder im Vorfeld der Wahlen drangsaliert, ihre Kundgebungen von bezahlten Schlägern oder der Polizei gestört und laut eigenen Angaben 1000 ihrer Anhänger verhaftet, darunter acht Parlamentskandidaten. 28 Bewerber wurden nicht zu den Wahlen zugelassen. Die Repressalien erwiesen sich als effektiv - diesmal bewerben sich nur 134 Muslimbrüder um die 508 Sitze, vor fünf Jahren kämpften 150 um 444 Mandate (die Zahl der Abgeordneten wurde mittlerweile um 64 für Frauen reservierte Sitze aufgestockt). Die Prognosen sagen daher der Muslimbrüderschaft höchstens zwölf Prozent voraus.

Den Wahlkampf hat die Regierung bewusst kurz gehalten. Ihr ist an stabilen Verhältnissen gelegen - wie übrigens auch, trotz aller Demokratieappelle, den USA. Schließlich gilt Ägypten als eines der wenigen westlich orientierten Länder der arabischen Welt, das sowohl die Islamisten im Zaum hält als auch als Vermittler im Nahost-Konflikt geschätzt wird.

Innenpolitisch geht es aber bei den Wahlen am Sonntag darum, die Basis für die wesentlich bedeutendere Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu legen. Auch wenn schon Stimmen für eine Wiederkandidatur Hosni Mubaraks zu hören waren, lässt der Präsident bis zum Frühjahr offen, ob er sich für eine sechste Amtszeit bewerben will. Die Wiederwahl wäre ihm sicher, aber ob der jetzt schon gesundheitlich angeschlagene 82-Jährige die komplette Amtsperiode durchhalten würde, erscheint mehr als zweifelhaft. Vielleicht heißt der Nachfolger ja wieder Mubarak.