Der Bundespräsident wird vom Volk gewählt. Es gibt aber auch andere Ideen. Und Widerstand dagegen.
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Aus heutiger Sicht spricht viel dafür, dass Bundespräsident Heinz Fischer im kommenden Jahr noch einmal antritt. Etwa seine Umfragewerte, die Fischer als vertrauenswürdigsten Politiker des Landes ausweisen.
Allenfalls der Umstand, dass UHBP bei der Wahl im Frühjahr 2010 im 72. Lebensjahr stehen wird, könnte man dagegen ins Feld führen. Aber erstens gab und gibt es bedeutend betagtere Politiker, und zweitens scheint sich Fischer bester Gesundheit zu erfreuen. Das demonstrierte er eindrucksvoll im September mit einer Tour auf den Großvenediger.
Viel spricht also dafür, dass Fischer erneut kandidiert. Wird dann aber die ÖVP überhaupt einen Gegenkandidaten nominieren? Immerhin ist bisher in der Zweiten Republik noch jeder erneut antretende Bundespräsident von den Bürgern bestätigt worden.
Bereits zweimal, 1980 und 1998, verzichtete eine Großpartei wegen offensichtlicher Chancenlosigkeit auf die Benennung eines Kandidaten. Chancen könnte sich allenfalls Niederösterreichs Landeskaiser Erwin Pröll ausrechnen - aber wird er auch das Wagnis eingehen, seine Karriere bei einer Niederlage aufs Spiel zu setzen? Wohl eher nicht. Daran werden auch die jüngsten kryptischen Äußerungen des greisen "Krone"-
Herausgebers nichts ändern (siehe Seite 5).
Vor diesem Hintergrund hat nun der steirische Politikberater Herwig Hösele vorgeschlagen, im Falle einer Wiederkandidatur die Möglichkeit zu eröffnen, den Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung (also Nationalrat und Bundesrat gemeinsam) per Zweidrittelmehrheit wählen zu lassen. Nicht zwingend, lediglich als Kann-Bestimmung in der Verfassung.
Die Vorteile lägen auf der Hand: Problematische Kandidaturen für das höchste Amt, die sich das Vakuum, das durch den Verzicht eines der großen Lager entsteht, zunutze machen wollen, könnten verhindert werden. Peinlich niedrige Wahlbeteiligungen detto. Und die Wahl durch die Bundesversammlung wäre natürlich auch deutlich billiger.
Und die Nachteile? Die wären ebenfalls erheblich, ist Verfassungsrechtler Manfried Welan überzeugt. Er gilt als ausgewiesener Experte für das Amt des Bundespräsidenten. Welan: "Die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in jeder Volkswahl niederschlagen, würden so ausgeblendet - die Bundesversammlung repräsentiert ja die Welt von gestern."
Durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft seit den 1980ern wurde das Amt des überparteilichen Bundespräsidenten aufgewertet - auch politisch etwa bei der Regierungsbildung, so Welans These. Die Wahl durch die Bundesversammlung würde diesen steigenden Stellenwert konterkarieren.
Sinnvoll wäre eine solche Variante für Welan allenfalls früher gewesen, solange es noch das "hinkende Zweiparteiensystem" mit SPÖ und ÖVP und der Kleinpartei FPÖ gegeben und der Bundespräsident realpolitisch ohne Einfluss gewesen sei. Und auch im Falle der Einführung eines Mehrheitsrechts wäre die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung naheliegend, da durch klare Regierungsmehrheiten das Staatsoberhaupt ebenfalls abgewertet würde.
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