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Eine Warnung an die Täter von morgen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Jeder Nazi-Prozeß, der heute noch stattfindet, ist aus historischen und moralischen Gründen wichtig, den er ist eine Warnung an die Täter von morgen, daß die Mörder niemals Ruhe haben werden. | Dieses Resümee zog Simon Wiesenthal, der am 31. Dezember seinen 90. Geburtstag feiert, Mittwoch abend zum Auftakt einer wissenschaftlichen Tagung zum Thema "Österreichs Umgang mit der NS- | Täterschaft".


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Als er im Mai 1945 in Mauthausen aus dem Todesblock befreit wurde, habe er in Zusammenarbeit mit den Amerikanern begonnen, nach NS-Verbrechern zu suchen. 91 Namen habe seine erste Liste umfaßt.

Damals sei er optimistisch gewesen, daß die Gerechtigkeit in wenigen Jahren erreicht sein werde. Doch dann sei der "Kalte Krieg" gekommen und die Entnazifizierung trat hinter das Ziel der

Verteidigung Europas gegen Stalin zurück. Diese Zeit habe den Nazis geholfen, von denen sich viele · nicht zuletzt mit Hilfe des Vatikans · absetzen konnten. Aber auch in der Ära Kreisky sei die

Arbeit seines 1947 in Linz gegründeten jüdischen Dokumentationsarchivs behindert worden, meint Wiesenthal, der schätzt, daß damals an die 800 Verfahren gegen Verdächtige eingestellt worden seien.

Keine Hilfe bei der Aufspürung der Täter habe es auch aus den osteuropäischen Staaten gegeben · mit der Ausnahme Polens, das in den Siebzigerjahren dazu bereit war.

Auf 150.000 bis 160.000 schätzt Wiesenthal die Zahl derer, die an den NS-Verbrechen beteiligt waren. Nur etwa ein Drittel von ihnen habe sich vor Gericht verantworten müssen und die Strafen seien

manchmal lächerlich gering gewesen. Franz Nowak etwa, der Transportoffizier Adolf Eichmanns, der für den Tod von mehr als einer Million Juden mitverantwortlich war, wurde erst im dritten Prozeß zu

neun Jahren Haft verurteilt, von denen er bloß sechs absitzen mußte · drei Minuten und 20 Sekunden für jedes seiner Opfer. Die Justiz habe sich mit den NS-Massenmördern schon deshalb besonders schwer

getan, weil sie Massenmörder eines neuen Typs waren, die ihre Opfer nie gesehen haben, die mit einer Unterschrift tausende in den Tod schickten.

Als einen seiner größten Erfolge sieht Wiesental noch heute seine Mithilfe bei der Aufspürung Eichmanns. Als dessen Frau in der Nachkriegszeit eine Todeserklärung anstrebte, habe er mit allen Mitteln

versucht das zu verhindern, weil damit auch die internationale Suche eingestellt worden wäre und als Eichmanns Frau 1952 mit den Kindern verschwand, habe er ein Jahr später dessen Spur in Argentinien

gefunden, während die Amerikaner ihn in Syrien vermuteten.

Seine nunmehr 53jährige Lebensaufgabe des Aufspürens von NS-Verbrechern als sei ein Kampf um Recht und Gerechtigkeit, nicht Rache.