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Russlands Pläne zur nachträglichen Rehabilitierung der Opfer von Katyn lassen neue Hoffnungen in Polen keimen.
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Noch ist es nicht offiziell. Auch die Details bleiben vorerst unbekannt. Doch schon jetzt sorgen die Pläne Russlands zur Rehabilitierung der Katyn-Opfer für Aufregung in Polen. Und die hat bisher nicht in Empörung umgeschlagen.
Katyn: Der Name des kleinen Ortes in der Nähe der westrussischen Stadt Smolensk ist in Polen ein Symbol für die Verbrechen der Sowjets während des Zweiten Weltkrieges. Er steht für die Ermordung von mehr als 22.000 polnischen Offizieren, Beamten und Intellektuellen durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD im April 1940. Für die jahrzehntelange Vertuschung und Leugnung des Massakers durch die Sowjetunion. Und für das noch längere Drängen Angehöriger von Opfern auf Rehabilitierung ihrer Väter, Söhne oder Brüder. Es ist ein Kapitel der Geschichte, das bis heute auf den Beziehungen zwischen Warschau und Moskau lastet.
Zwar hat Präsident Michail Gorbatschow vor gut 20 Jahren die sowjetische Verantwortung für den Massenmord eingeräumt und die ein halbes Jahrhundert gültige offizielle Version Moskaus zurechtgerückt, wonach die deutsche Wehrmacht das Massaker verübt hätte. Doch hat erst im Vorjahr die Duma, das russische Parlament, nachgezogen und die Hinrichtungen offiziell verurteilt.
Die Bemühungen Angehöriger um nachträgliche Rehabilitierung ihrer Verwandten gehen weiter. Einige von ihnen zogen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Sie fordern unter anderem den Zugang zu den Ermittlungsakten der russischen Militär-Staatsanwaltschaft. Diese hatte ihre Untersuchungen zu Katyn vor wenigen Jahren eingestellt - aus Gründen der Staatssicherheit.
Doch nun lassen Pläne Moskaus neue Hoffnungen in Polen keimen.
Eine Expertenkommission hat nämlich dem Kreml Vorschläge zur Rehabilitierung vorgelegt. Nach Angaben der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" wird es sich wohl um eine Gruppenrehabilitierung handeln, ohne Nennung von Namen, wie es sich etliche Angehörige wünschen würden.
Schon gibt es Spekulationen, dass Moskau dadurch Forderungen nach Entschädigungszahlungen verhindern möchte. Rekompensationen für den Tod von Opfern des kommunistischen Terrors sind allerdings nach russischem Recht sowieso schwierig.
Gerichte zu bemühen, wäre nicht notwendig, befand denn auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Eine Rehabilitierung ließe sich wohl auf Regierungsebene regeln.
Als übertrieben und eine polit-theatralische Geste bezeichnete die Pläne übrigens der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin. Entschädigungszahlungen sind auch seiner Meinung nach abzulehnen. Das Problem sollte so gelöst werden, dass es einerseits die Familien der Opfer akzeptieren können und andererseits russische Gesetze beachtet werden.
Doch plädiert Lukin ebenfalls dafür, was die Polen seit langem verlangen: eine Offenlegung aller Dokumente zu Katyn. Damit dieses Kapitel endlich seinen Abschluss finden könne.