Die Ukraine strebt in die Nato, um vor Russland sicher zu sein. Nur macht das die Nato nicht sicherer.
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Der ausgewiesene Russland-Experte Gerhard Mangott hat am Sonntagabend in der ORF-Diskussion "Im Zentrum" an die Unterscheidung zwischen Sicherheitsgeber und Sicherheitsnehmer in Bezug auf die Mitgliederstruktur von Bündnissen erinnert und auf die entsprechenden Folgen hingewiesen.
Jeder souveräne Staat kann von sich aus nach Aufnahme in ein solches Bündnis streben. Nach der Auflösung der Sowjetunion und ihres militärischen Arms drängten die meisten der neuen oder souverän gewordenen Staaten weg von Russland, das sie als Bedrohung wahrnehmen, und unter den Schirm der Nato.
Aus Sicht der Nato ist jeder dieser Staaten ein Sicherheitsnehmer - dazu zählt auch Österreich -, während die Zahl der Sicherheitsgeber in der Allianz relativ sogar geschrumpft ist.
Irgendwann kann diese heikle Balance kippen. Die Frage ist deshalb für jedes Mitglied der Nato von überragender Bedeutung, weil mit jedem neuen Partner auch die Verpflichtung zum militärischen Beistand wächst. Eine Aufnahme der Ukraine - eines Sicherheitsnehmers - erhöht die Sicherheit des Landes, aber steigert auch das Risiko für alle anderen. Es sei denn, die militärische Macht der Sicherheitsgeber in der Nato ist so groß und die davon ausgehende Abschreckung so wirksam, dass sie jeden, wirklich jeden Aggressor abschreckt.
Das trifft derzeit zu, zumindest gibt es keine anderen Hinweise. Aber wird das auch für den Fall einer Aufnahme der Ukraine gelten, eines Staates, der sich seit 2014 im Zustand eines heiß-kalten Kriegs mit Russland befindet, welches die "Raison d’Etre" der Nato darstellt?
Solche Fragen lassen sich von den Betroffenen öffentlich kaum mit der gebotenen Klarheit diskutieren. Erstens, weil sie Russland damit in die Hände spielen würden. Zweitens, weil der Westen ein strategisches Interesse an einer westlich orientierten Ukraine hat. Und drittens, weil es grundsätzlich problematisch ist, die Sicherheitsinteressen eines souveränen Staats mit den kollektiven Sicherheitsinteressen anderer Akteure in Bezug zu setzen.
In dieser Relativität liegt eine Zumutung für jede wertebasierte Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie so viele im Mund führen. Doch die wechselseitige Betroffenheit abzustreiten, hieße, die Wirklichkeit zu leugnen. Das sollte sich niemand in Fragen von Krieg und Frieden leisten können, weil auch das Teil unserer Werte sein sollte. Das sagt noch nichts über die Politik aus, die aus dieser Analyse folgert; man sollte nur niemandem ein X für ein U vormachen.