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Eine zwiespältige Bilanz

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Impfpflicht kommt, obwohl sie keiner wollte. Die Impflotterie zeigt das Nervenflattern der Koalition.


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Nun ist sie beschlossen, die Impfpflicht gegen Covid-19, die niemand wollte und die jetzt trotzdem ab Februar in Kraft tritt.

Viel wurde darüber diskutiert, wie es so weit kommen konnte. Tatsächlich war der Weg mit Versäumnissen und Fehleinschätzungen gepflastert, die Verantwortung trifft Politik wie Gesellschaft. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die Omikron-Welle kaum von Maßnahmen, gleich welcher Natur, beeinflussen lässt.

Trotzdem - und vielleicht deshalb - stimmte im Nationalrat eine große Mehrheit für die Impfpflicht; allein die FPÖ votierte geschlossen dagegen, wobei es auch in den anderen Parteien Zweifel gibt. Der Härtetest der praktischen Umsetzung steht der Regelung allerdings erst bevor. Womöglich bereitet die administrative Abwicklung der Impfpflicht und der bei Verstößen dagegen vorgesehenen Strafverfahren noch Kopfzerbrechen.

Noch unmittelbar vor dem Beschluss präsentierten ÖVP und Grüne gemeinsam mit der SPÖ ein großzügiges Zuckerlpaket, das die Menschen zum Impfen verführen soll. Man kann das als Hinweis verstehen, dass der Regierung selbst nicht ganz wohl ist bei ihrem Vorgehen. Die Forderung nach Anreizen, auch monetären, gibt es seit Monaten, nicht nur, aber vor allem von SPÖ und Wirtschaft, während sich die Regierung bisher dagegen verwehrte. Mutmaßlich mit Gründen.

Jetzt investiert die Regierung eine Milliarde Euro in eine Lotterie, bei der sich jeder Geimpfte mit jeder Impfung um beachtliche 500-Euro-Gutscheine bewerben kann. Jeder zehnte Kandidat soll Gewinnchancen haben, unter dreifach Geimpften wäre es somit fast jeder Dritte. Das ist viel Steuergeld für alle, die eigentlich nur das Richtige tun: sich impfen zu lassen.

Wenn dieses Modell Schule macht, muss man sich um den Staatshaushalt Sorgen machen. Wo endet die Bonifikation für ein Verhalten, das den Menschen selbst wie der Gesellschaft zum Vorteil gereicht und das noch dazu vom Staat gratis zur Verfügung gestellt wird: beim Zähneputzen, beim Schulbesuch oder beim korrekten Parken? Weitere 400 Millionen Euro werden, gestaffelt nach Impfquote, an die Gemeinden ausgeschüttet, um zusätzliche Mittel für dringende kommunale Investitionen zu mobilisieren. Diese können das Geld zweifellos gut brauchen, zumal ein Großteil davon auch der regionalen Wertschöpfung zugutekommt.

Die Bilanz des gestrigen Tages fällt also zwiespältig aus: Die große Mehrheit für die Impfpflicht ist ein Signal der Ge- und Entschlossenheit, die Lotterie ein teures Zeichen für das Nervenflattern der Koalition.