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Einen Orden für Fritz

Von Walter Hämmerle

Analysen

Verzetnitsch-Rücktritt verschafft Zeit für notwendiges Krisenmanagement. | Radikale SPÖ-Abkehr vom ÖGB wenig wahrscheinlich. | Wiens Bürgermeister Michael Häupl wollte dem scheidenden ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch am Montag am liebsten den Maria-Theresien-Orden um den Hals hängen: "für die Rettung der Bawag". Man kann aber getrost annehmen, auch für seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung.


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Diesen Schluss lassen zumindest die zahlreichen Wortmeldungen von SPÖ- und ÖGB-Funktionären zu, die nach dem Rücktritt plötzlich auf den langjährigen ÖGB-Präsidenten niederprasselten und ihn mit Respektbekundungen überhäuften. Bis dahin hatten allerdings alle eisern geschwiegen.

Der Rücktritt Verzetnitschs hat SPÖ und ÖGB fürs erste eine kleine, aber dringend notwendige Verschnaufpause verschafft - auf dass überhaupt einmal mit dem Krisenmanagement begonnen werden kann. Bisher konnte von einem solchen ja nicht einmal mit viel gutem Willen gesprochen werden.

Dennoch sind die Folgen der Affäre für die Nationalratswahlen noch gar nicht abzuschätzen. Die Krise trifft ÖGB und SPÖ nämlich am zentralen Nerv jeder politischen Bewegung, ihrer Glaubwürdigkeit vor den Wählern.

Wie schwer sich die SPÖ mit der Krise ihres siamesischen Zwillings, der Gewerkschaftsbewegung, tut, veranschaulicht am besten die Schreckensstarre, in der sich die Parteizentrale seit dem Bekanntwerden des ganzen Ausmaßes der Bawag-Affäre befindet. Die Strategie, sich nun auf die formale Überparteilichkeit des ÖGB herauszureden, war schon beim Arbö zum Scheitern verurteilt. Schon ein Blick ins Präsidium beziehungsweise in den Parlamentsklub der SPÖ zeigt eine massive Gewerkschaftspräsenz.

Eine radikale Distanzierung der SPÖ vom ÖGB wäre aber wohl nicht nur aussichtslos, sondern auch kurzsichtig. Die Partei ist auf Gedeih und Verderb auf die Organisations- und Mobilisierungskraft der roten Gewerkschafter angewiesen, will sie bei den Nationalratswahlen im kommenden Herbst eine Chance auf Platz eins vor der ÖVP haben. Alfred Gusenbauer darf daher die zehntausenden ÖGB-Funktionäre auf keinen Fall verprellen.

Gusenbauer kann im Moment nicht viel anderes tun, als zu hoffen, dass das Gedächtnis der Wähler nur ein sehr kurzfristiges ist. Bis zu den Wahlen im Herbst ist es ja noch lang. Eine Vorverlegung auf Juni ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch wenig wahrscheinlich. Die Wähler haben aber eine Partei auch schon aus Mitleid gewählt. Der Bank Burgenland-Skandal konnte der SPÖ auch bei zwei Landtagswahlen nichts anhaben.

Vielleicht sollte Gusenbauer, anstelle des aussichtslosen Versuchs, andere Themen zu setzen, einfach eine Auszeit nehmen und auf Urlaub fahren - und hoffen, dass die gerichtliche Aufarbeitung der Affäre nicht in den Intensiv-Wahlkampf fällt.