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Deutscher Bundespräsident nahm am Abend zu Vorwürfen gegen ihn Stellung.
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Berlin. "Liebling, ich habe die Würde des Amtes geschrumpft" heißt einer der Filmtitel, die für die Affären des deutschen Bundespräsidenten erfunden werden, "Einer flog über das Eigenheim" ein anderer - Christian Wulff ist im Internet Spott und Häme ausgesetzt. Aber auch der Westdeutsche Rundfunk parodierte den Präsidenten und stellte sich vor, was Wulff auf den Anrufbeantworter von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann gesprochen haben könnte: "Für meine Frau und mich ist der Rubikon aber sowas von überschritten", sagt ein Wulff-Imitator.
Die Affäre um den 500.000-Euro-Kredit und der Versuch, die Berichterstattung darüber zu verhindern, haben dem höchsten Repräsentanten Deutschlands schwer zugesetzt. Seit Tagen fordern Medien und Politiker, Wulff möge dazu öffentlich Stellung nehmen - zuletzt sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich zuvor gleichfalls in Schweigen gehüllt hatte: Sie erwarte vom Staatsoberhaupt weitere Erklärungen, wie er sie auch in der Vergangenheit abgegeben habe, und sei zuversichtlich, dass Wulff alle anstehenden Fragen umfassend beantworten werde, ließ sie den stellvertretenden Regierungssprecher Georg Streiter erklären. Merkel schätze die Arbeit des Präsidenten - daran habe sich nichts geändert.
Wulff gab den Rufen schließlich am Mittwochabend nach. Aus seinem Weihnachtsurlaub zurückgekehrt, gewährte er ARD und ZDF ein viertelstündiges Interview. Bereits zuvor hieß es, er werde nicht zurücktreten.
Kaum Rufe nach Rücktritt
Rufe nach einem Rücktritt waren indes von den Parteien ohnehin wenig zu hören, zumindest nicht von den Spitzenpolitikern. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel warf lediglich die Frage auf, ob man sich einen Präsidenten wünschen könne, "der den Eindruck erweckt, er sei seinem Amt weder politisch noch stilistisch gewachsen". Grünen-Chefin Claudia Roth spielte den Ball dem Bundespräsidenten zu - er müsse selbst wissen, ob er noch die nötige Autorität habe, um als "Konsensfigur und Wertevermittler" aufzutreten.
Auf konservativer und liberaler Seite hüllen sich die meisten Spitzenpolitiker in Schweigen. Eine Ausnahme bildete CSU-Chef Horst Seehofer, der am Rande der Klausurtagung der CSU-Bundestagsfraktion in Wildbad Kreuth erklärte: "Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff, und er hat auch unser Vertrauen."
Ganz anders sieht das die frühere CDU-Abgeordnete und einstige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld: Sie nannte Wulff "eine Witzfigur" und forderte seinen Rücktritt. Gleichzeitig schlug sie den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, als Nachfolger vor. Gauck war 2010 bei der Wahl durch die Bundesversammlung im dritten Wahlgang gegen Wulff unterlegen.
Lengsfeld sagte über Wulff: "Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kann ihn nicht mehr ernst nehmen." Dieser Meinung schließen sich die Bürger aber nur zögernd an. Laut einer Forsa-Umfrage, die allerdings vor Bekanntwerden der Interventionen des Präsidenten beim "Bild"-Chefredakteur durchgeführt wurde, waren 63 Prozent der Befragten zufrieden mit Wulffs Arbeit, 30 Prozent unzufrieden. Erst in neueren Befragungen kommt eine Mehrheit zu dem Schluss, dass ein Abgang des Präsidenten besser wäre.