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Statt auf die Warnungen bezüglich Bonität entsprechend zu reagieren, verschulden sich Europas Staaten weiter mit neuen Krediten. Für Griechenlands Probleme können die Ratingagenturen nichts.
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Der Ärger europäischer Regierungen über die realistisch-schlechten Ratings für Staaten, Banken und Emissionen führte vielfach nicht zu Selbstkritik wegen überbordender Schuldenpolitik und Budgetdefizite und zur Einleitung von Sparprogrammen, sondern zu einem Angriff gegen US-Ratingagenturen. Man redet zwar von den eingegangenen Verpflichtungen bezüglich vorgegebener Grenzwerte der Wirtschafts- und Währungsunion in Europa, verschuldet sich aber über neue Kredite weiter.
Als man Griechenlands Rating abwertete, gab es viel Empörung, aber die 360 Milliarden Euro Staatsschulden Griechenlands haben nicht die US-Ratingagenturen verursacht, sondern jene, die das Land seit Jahrzehnten regieren. Ähnlich die kriminellen Spekulationen Islands und Irlands, die steigenden Schulden Portugals und die drohende Herabstufung der Bonität Italiens, dessen Schuldenberg mit 120 Prozent des BIP weit höher ist als jener Irlands (96), Belgiens (97) oder Portugals (93).
Das Schuldenproblem hat mit den Agenturen nichts zu tun: Griechenland trotz seiner Schulden weiter Geld zu geben verstößt gegen jede kaufmännische Regel, ist Politik, ist einer der Gründe, warum überzeugte EU-Befürworter aufgeben. Die in Panik geratene Politik setzt sich über den Lissabon-Vertrag, über Staatsverfassungen und Appelle an die budgetpolitische Vernunft hinweg. Es entsteht der Eindruck, die Krise ist viel elementarer, als man der Öffentlichkeit gegenüber eingestehen will. Das geborgte Geld ist vernichtet. Die Wahrheit ist: Die ökonomisch schwachen Mittelmeerstaaten hätten den Euro nie einführen dürfen.
In Deutschland sieht man nun die Pensionssicherung gefährdet, in Österreich die Sozialleistungen, die man nun überall kürzt (und erhöht die Abgaben, die auch Steuern sind, also die Reisepasssteuer, Führerscheinausstellsteuer etc.). Österreichs laufende Kritik an den Ratingagenturen ist auch Vorbote einer Herabstufung Österreich, die ja seit 2009 im Raum steht.
Es spricht nichts gegen europäische Ratingagenturen, die es überdies gibt, was den Politikern entgangen ist. Auch Zentralbanken und private Banken bewerten ihre Kunden. Wenn man jedoch fordert, eine "große" europäische Ratingagentur am Sitz der Europäischen Zentralbank einzurichten, dann ist das eine Drohung, denn diese Agentur würde von Politikern und Bankern gesteuert, ist daher weder unabhängig noch glaubwürdig, die Ratings daher irrelevant.
Unfreiwilliger Humor dürfte die Aussage von Kanzler Werner Faymann sein, der den US-Agenturen "mangelndes Einfühlungsvermögen" vorwarf: Ist ausreichendes Einfühlungsvermögen ein AAA, ein weniger ausreichendes ein AA und geringes nur ein A? Ist das die New Austrian Macro-Economics, oder einfach politische Naivität?
Nur, unter solchen Vorzeichen sollte man auf eine europäische Ratingagentur besser verzichten, sie hat internationale keine Relevanz.
Friedrich Korkisch ist Leiter des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik in Wien.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.