Demokratische Senatoren stimmten aus Angst um Wiederwahl gegen Obama.
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Washington/Wien. Sie saßen auf der Zuschauertribüne und konnten es nicht fassen: Angehörige der Opfer der drei Massaker von Newtown, Tuscon und Aurora - Amokläufer erschossen dabei insgesamt 46 Menschen - sahen, wie eine Mehrheit des US-Senats nun gegen strengere Waffengesetze votierte. "Ich bin so enttäuscht. Aber wir werden kämpfen und wiederkommen", sagte Roxanna Green, deren neunjährige Tochter Christina-Taylor vor zwei Jahren in Tuscon Opfer eines Attentäters wurde.
Ratlosigkeit, Wut und Trauer auf der einen Seite, Genugtuung über den abgeschmetterten Angriff aufseiten der Waffenlobbyisten. Die Vereinigten Staaten präsentieren sich in der Debatte um Schusswaffen tief gespalten. Kein Kompromissvorschlag fand die entscheidende Mehrheit von 60 Stimmen im Senat. Am nächsten kam dieser der Entwurf des Demokraten Joe Manchin und des Republikaners Pat Toomey; er fand bei 54 Abgeordneten Zustimmung, 46 lehnten ihn ab. Manchin und Toomey sahen verschärfte Kontrollen für den Erwerb von Waffen vor. Über eine FBI-Datenbank sollten sogenannte "background checks" durchgeführt werden, die zeigen, ober der Waffenkäufer vorbestraft ist oder an einer psychischen Erkrankung leidet. Jene Kontrollen sind über das Internet sowie auf den beliebten einschlägigen Messen nicht notwendig - und sie bleiben es auch auf absehbare Zeit.
Das Ergebnis ist ein Desaster für Präsident Barack Obama. Seit dem Amoklauf von Newton im Dezember des Vorjahres - damals wurden 20 Volksschulkinder und sechs Lehrer ermordet - setzte er alles an eine Verschärfung des Waffenrechts. Obama appellierte an die Mandatare, er umgarnte sie und drohte ihnen. Umsonst. Von einem "beschämenden Tag für Washington" sprach der sichtlich enttäuschte Präsident in einer Reaktion auf die Abstimmung: "Die meisten Senatoren haben keine guten Gründe für ihre Ablehnung", sagte Obama. Flankiert wurde er von seinem Vizepräsidenten Joe Biden, Angehörigen der Newtown-Opfer und der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabby Giffords, der bei einem Attentat im Jänner 2011 in den Kopf geschossen wurde.
Lobby stärker als Obama
Doch um gute Argumente geht es nicht in dieser Debatte. Umfragen zufolge befürworten knapp 90 Prozent der US-Bürger die verschärften "background checks". Handfeste finanzielle und politische Interessen sowie öffentlich geschürte Angst vor der "Entwaffnung der anständigen Bürger, während Gangster ihre Waffen behalten" verhindern jedoch eine Neuregelung. Zentraler Akteur dabei ist die National Rifle Association (NRA), die wohl mächtigste Lobbyorganisation des Landes. 18 Millionen Dollar investierte die Lobby alleine während des Präsidentschaftswahlkampfs 2012. Die vier Millionen Mitglieder nutzt NRA-Geschäftsführer Wayne LyPierre gerne als Drohkulisse gegenüber Politikern, die sich der Wiederwahl stellen.
Sogar drei von Obamas Demokraten, Senatoren aus den konservativen Bundesstaaten Montana, Arkansas und Alaska, stimmten gegen den vom Präsidenten unterstützten Kompromissvorschlag. Denn sie rittern um ihre Wiederwahl 2014, eine vierte Senatorin lehnte ebenfalls ab - wie auch 90 Prozent der republikanischen Abgeordneten. Vier konservative Senatoren scherten zwar aus der Parteilinie aus - darunter der Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain. Doch schlussendlich gelang es Obama nicht, eine breite Allianz zu schmieden.
Zu viele "liberale Themen"
Neben der erfolgreichen Lobbyarbeit durch die NRA standen den Waffengegnern die derzeit ebenfalls diskutierten Themen illegale Einwanderung und Rechte für Homosexuelle im Weg. "Ich kann nicht bei allen drei Themen eine progressive Position einnehmen", erklärte ein ungenannt bleiben wollender Senator.
Regelrecht abgestraft wurde der Vorschlag zur Verschärfung des Waffenrechts der Demokratin Dianne Feinstein. Sie forderte ein Sturmwaffenverbot und Waffenmagazine für maximal zehn Schuss. Lediglich 40 Abgeordnete stimmten für ihren Vorschlag. Zum Vergleich: Die Demokraten halten 55 der 100 Mandate.
Während die NRA feiert, setzen die Waffengegner auf Durchhalteparolen: "Die Bürger wissen nun, die Abgeordneten gehorchen der Waffenlobby, nicht ihnen", twittere Giffords. Ein Ende der Hörigkeit scheint aber nicht in Sicht.