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Eingeschränktes Misstrauen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Juncker sitzt weiter fest im Kommissions-Sattel.
© reu/Vidal

Rechtsgerichtete Parteien im EU-Parlament fordern Rücktritt der EU-Kommission - und werden damit kaum Erfolg haben.


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Brüssel/Straßburg. Die Situation kennt so gut wie jeder Ministerpräsident. Die Opposition stellt einen Misstrauensantrag, im Abgeordnetenhaus wird darüber debattiert - und dann findet der Antrag meist keine Mehrheit. Nun müssen sich die EU-Kommission und deren Präsident Jean-Claude Juncker dem Prozedere stellen. Die Brüsseler Behörde ist zwar keine Regierung, und das EU-Parlament teilt sich auch nicht in Regierungs- sowie Oppositionsparteien auf. Das Recht, ihr Misstrauen auszusprechen, hat die Volksvertretung aber trotzdem.

Das nutzen nun 76 EU-Abgeordnete, die meisten von der rechten Seite des politischen Spektrums, um einen Rücktritt der Kommission zu verlangen. Die für einen Antrag notwendigen Stimmen kommen großteils aus der Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD), die sich rund um den britischen EU-Gegner Nigel Farage und seine Partei Ukip gebildet hat. Doch auch Mitglieder des französischen Front National von Marine Le Pen sowie der italienischen Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo sollen ihre Unterschriften geleistet haben. Zwei FPÖ-Mandatare unterstützten die Initiative ebenfalls: Delegationsleiter Harald Vilimsky und Franz Obermayr.

Grund sind die Enthüllungen zu umstrittenen Steuersparmodellen in Luxemburg, wo Juncker rund zwei Jahrzehnte lang Premier- und zeitweise auch Finanzminister war. Durch kreative Buchführung und - bis jetzt als legal angesehene - Steuertricks konnten sich Unternehmen Milliarden Euro ersparen. Das Großherzogtum ist nicht das einzige Land, das mit solchen Angeboten um internationale Konzerne warb. Die EU-Kommission untersucht derzeit das Vorgehen in Luxemburg, den Niederlanden und Irland. Weitere Ermittlungen gegen Großbritannien, Belgien oder Malta könnten hinzukommen.

Dennoch kam in der Debatte um die Taktiken der Firmen auch Juncker unter Druck, der als Kommissionspräsident versprochen hatte, sich im Kampf gegen Steuerflucht und -hinterziehung zu engagieren. Die Antragsteller des Misstrauensvotums, das in einer Woche bei der Plenarsitzung in Straßburg stattfinden könnte, sprechen dem Luxemburger nun die Glaubwürdigkeit ab.

Dass sich die nötige Zweidrittel-Mehrheit der EU-Parlamentarier dieser Meinung anschließt, ist freilich unwahrscheinlich. Die zwei größten Fraktionen, die Europäische Volkspartei und die Sozialdemokraten, haben schon klargemacht, den Antrag nicht zu unterstützen. Ähnlich äußerten sich die Grünen. Sie wünschen sich aber einen Untersuchungsausschuss zu den Systemen der Steuervermeidung in der EU.