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Eingriff in Raiffeisens Reich?

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse hat als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter der Universität Wien gearbeitet und ist auf kredit-, land- und wohnungswirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Der dreistufige Raiffeisen-Sektor steht vor einer Umstrukturierung - ein guter Zeitpunkt, um über neue Wege nachzudenken.


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Nach den Veränderungen bei den Volksbanken steht der dreistufige Raiffeisen-Sektor als die größere der beiden genossenschaftlichen Bankengruppen vor einer Umstrukturierung. Kurz nach der Finanzkrise hatte man 2010 das Sektorgeschäft in der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB) konzentriert und die Raiffeisen International Bank-Holding AG zu einer internationalen Geschäftsbank auch mit Österreichgeschäft, zur Raiffeisen Bank International AG (RBI), ausgebaut. Der Veränderungsdruck heute resultiere, heißt es, vor allem aus regulatorischen Anforderungen und der an ihre Grenzen gelangenden Fähigkeit des Sektors, an der Spitze künftig den Eigenkapitalanforderungen zu entsprechen. Eine kürzlich bekannt gewordene Entwicklungsrichtung, die RZB mit der RBI und der Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich-Wien AG als einem Institut der mittleren Stufe zu fusionieren, enthielt den Hinweis, die RBI könne das aufnehmende Institut werden, da sie börsennotiert sei. Stellt ein solcher oder ähnlicher Schritt den Sektor "vom Kopf auf die Füße"?

Die Raiffeisen-Landesbanken und die zeitgemäß am ursprünglichen Konzept orientierten lokalen genossenschaftlichen Raiffeisen-Banken stehen unter Abwertungsdruck ihrer Beteiligungen im Falle einer immer wieder möglichen ungünstigen Börsenkursentwicklung beim Spitzeninstitut. Derartige Schwierigkeiten hatten auch andere genossenschaftliche Bankengruppen zu verkraften, die ein börsennotiertes Institut aufweisen, zum Beispiel der französische Crédit Agricole mit einem solchen Spitzeninstitut oder die Banques Populaires mit einer Investmentbank (Natixis), an der auch die französischen Sparkassen beteiligt waren. Die Probleme der Natixis waren groß, am Ende wurden Volksbanken- und Sparkassen-Sektor zusammengeführt.

Man könnte vereinfachend die These vertreten, dass sich genossenschaftliche Ausrichtung und Kapitalmarkt nicht vertragen. Das heißt nicht, das eine oder andere sei "schlecht". Nur handelt es sich offenbar um schwer kompatible Systeme. Doch da das Bekenntnis - und die Signale an der Basis aus den Raiffeisenbanken unterstreichen dies - aufrecht ist, die Genossenschaftlichkeit eines "von unten nach oben" aufgebauten Sektors zu erhalten, sind alternative Lösungen zu kapitalmarktorientierter Zentralisierung überlegenswert.

Ein ausgesprochen mutiger Schritt wäre es, sich von der Börse zurückzuziehen. Realitätsnäher erscheinen Lösungen, die mit den Anforderungen auf EU-Ebene an zulässige Eigenkapitalinstrumente verträglich sind. Daher wäre ein Weg prüfenswert, der die von der Finanzmarktaufsicht anerkannten Institutional Protection Schemes mit Weisungsrechten "von oben nach unten" - von der RZB zu den Raiffeisen-Landesbanken beziehungsweise einer Landesbank zu den zugehörigen Raiffeisenbanken - begleitet: Ein "von unten nach oben" wirkendes Finanzierungsinstrument könnte die in selber Richtung verlaufenden Eigentümerbeziehungen ergänzen. Es sollte auch anderen Kreditinstituten offenstehen, die hinsichtlich der Weisungsrechte ähnlich strukturiert sind, wie etwa die Volksbanken im Kreditinstitute-Verbund. Damit entstände ein Ausgleich, der gerade auch die zwei genossenschaftlichen Bankengruppen auf jeder Stufe stärken könnte.