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Wurden über Jahrzehnte hinweg Schuluniformen von der Mehrheit der Bevölkerung entweder belächelt oder nicht einmal ignoriert, so traten in letzter Zeit vermehrt Kritiker der (fast) grenzenlosen Bekleidungsindividualität an Schulen auf den Plan. Unterstützung erhalten sie jetzt von einer Studie aus Deutschland. Dennoch dürfte sich diesbezüglich in öffentlichen Schulen vorläufig kaum etwas ändern.
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Es raschelte beachtlich im deutschen Blätterwald, als Ende August der Diplompsychologe Oliver Dickhäuser von der Universität Gießen die wichtigsten Ergebnisse einer von ihm geleiteten Studie über einheitliche Schulkleidung veröffentlichte: "In Klassen mit einheitlicher Schulkleidung kann ein besseres Sozialklima, eine höhere Aufmerksamkeit, ein höheres Empfinden von Sicherheit sowie ein generell niedrigerer Stellenwert von Kleidung beobachtet werden als in Vergleichsklassen ohne einheitliche Bekleidungsregelung.
Die Unterschiede zeigen sich jedoch erst in höheren Klassen, wenn die einheitliche Schulkleidung bereits einige Zeit getragen wird", heißt es hier. Verglichen wurde eine öffentliche Haupt- und Volksschule im Hamburger Stadtteil Sinstorf, in der seit einigen Jahren ab Beginn der Hauptschule einheitliche T-Shirts oder Pullover vorgeschrieben sind, mit einer ähnlichen Schule ohne einheitliche Schulkleidung.
Von den Ergebnissen zeigte sich das Team "selbst überrascht": "Die Schüler, die keine Schulkleidung haben, sind von vornherein eher ablehnend, doch die Einstellung ändert sich mit dem Tragen der Schulkleidung immer mehr", erklärt Dickhäuser.
Er warnt jedoch, die Schulkleidung alleine für das bessere soziale Klima in den Klassen verantwortlich zu machen: "Es ist durchaus möglich, dass auch Lehrkräfte, die sich für eine einheitliche Schulkleidung stark machten, ebenfalls ihren Anteil daran haben."
"Schulkleidung billiger"
In Österreich gibt es laut Unterrichtsministerium keine öffentliche Schule mit einheitlicher Schulkleidung. Interesse daran scheint ebenfalls kaum vorhanden zu sein - trotz einer im Frühjahr sehr heftig geführten Diskussion, als an der Hauptschule Ohlsdorf (OÖ) Bekleidungsregeln erlassen werden sollten, die u.a. ein Verbot aufreizender Kleidung zum Inhalt hatten.
"Eine einheitliche Schulkleidung ist weder ein Wunsch von uns, noch wurde ein solcher wirklich je an uns herangetragen", erklärt beispielsweise Christine Krawarik, Vorsitzende des Verbandes der Elternvereine an Höheren und Mittleren Schulen Wiens. Auch Dagmar Denk, die in ihrem Bekleidungsgeschäft im 3. Wiener Gemeindebezirk Schuluniformen verkauft, kann bisher von keinen unverbindlichen Anfragen öffentlicher Schulen berichten.
Doch auch in Privatschulen sei vieles weniger streng geworden, erklärt Denk - beispielsweise sei es allgemein üblich, dass die Mädchen auch Hosen tragen dürfen. Obwohl eine Schuluniform "für zwei Schuljahre" (abhängig ob für Burschen oder Mädchen) zwischen 250 und etwa 365 Euro koste, "begrüßen die Eltern, dass dadurch die Bedeutung von Markenartikeln eingedämmt wird - und somit die Schulkleidung gesamt gesehen wieder billiger kommt".
"Uniform" ist passé
Ähnlich sieht dies naturgemäß auch Reinhard Hallwirth, Direktor des Privatgymnasiums Sacre Coeur Wien: "Wir drängen den Markenwahn zurück und erreichen so einen egalisierenden Effekt." Von der Kleidung her verschwinde dadurch auch der Unterschied zwischen der Tochter eines Industriekapitäns und dem Sohn einer philippinischen Einwandererin. Schließlich solle es um den jungen Menschen und nicht um sein Äußeres gehen. Laut hausinternen Umfragen unter Lehrern, Eltern und Schülern seien die größten Anhänger der einheitlichen Schulkleidung die Eltern, denn diesbezüglich entfalle der Streit mit den Kindern. Außerdem sei die Schulkleidung ein "harmloser, aber wirkungsvoller Reibebaum".
Dadurch könnten die Heranwachsenden im Protest dagegen ihre Grenzen austesten, was auch einen pädagogischen Zweck erfülle. "Ab der 6. Klasse sind die meisten Schüler dann wieder stolz auf ihre Schulkleidung", erklärt Hallwirth.
Er betont, dass es sich auch im Sacre Coeur nicht um eine "Schuluniform" handle und die Regeln weit weniger streng sind als früher: "Eine Uniform besteht aus einem einheitlichen Stoff, Schnitt und einer einheitlichen Art der Kleidung. Die Schulkleidung lässt hingegen sowohl bei der vorgegebenen Farbe Dunkelblau als auch bei der Art der Kleidung und beim Stoff einen gewissen Spielraum offen. Das heißt beispielsweise, dass auch Blue Jeans erlaubt sind."
Schüler protestieren
Strikt gegen jede Bekleidungsvorschriften an öffentlichen Schulen sprechen sich hingegen die zwei größten Schülerorganisationen, die SP-nahe "Aktion Kritischer Schüler" (AKS) sowie die "Union Höherer Schüler" (UHS) aus.
Die AKS spricht in einem solchen Falle von einem "Zurück zum Mittelalter", während die UHS "das Recht auf Individualität" eines jeden Schülers einfordert.