Knapp nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon fällte der EuGH seine erste Entscheidung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Judikatur in der EU.
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In den Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaften (EG) - EGKS (1951), EWG und EAG (1957) - war lediglich ein Gerichtshof (EuGH) als judikatives Hauptorgan zur Sicherung der Rechtstaatlichkeit der EG vorgesehen.
EuGH, EuG
Der EuGH agierte in der Folge über 35 Jahre als alleinige Rechtsprechungsinstanz in den EG, beklagte zuletzt aber immer stärker seine Überlastung und rief nach der Einrichtung eines nachgeordneten Gerichts zu seiner Entlastung. Im Jahre 1988 wurde seiner Forderung schließlich entsprochen und ein Gericht erster Instanz (EuG) eingerichtet, das im ersten Rechtszug für Klagen natürlicher und juristischer Personen zuständig ist, sofern diese nicht einer gerichtlichen Kammer übertragen werden.
In zweiter Instanz entscheidet das EuG über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der gerichtlichen Kammern.
Im Juni 2004 wurde dem EuG die Zuständigkeit für Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen der Mitgliedstaaten gegen die Europäische Kommission sowie gegen das Europäische Parlament oder den Rat oder beide Organe gemeinsam übertragen. In der Folge bekam das EuG noch weitere Kompetenzen zugewiesen. Gegen die Entscheidungen des EuG ist ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel an den EuGH möglich.
GöD
Durch einstimmigen Beschluss des Rates können aber auch gerichtliche Kammern eingerichtet werden, die für bestimmte Kategorien von Klagen in besonderen Sachgebieten zuständig sind.
Als erste und bisher einzige gerichtliche Kammer wurde Ende 2004 das Gericht für den öffentlichen Dienst der EU (GöD) errichtet, das (nur) aus sieben Richtern besteht und bei deren Ernennung der Rat von einem siebenköpfigen Ausschuss beraten wird, der sich aus ehemaligen Richtern des EUGH und des EuG sowie Juristen von anerkannter Befähigung zusammensetzt. Das GöD ist im ersten Rechtszug für Beamtenklagen zuständig. Gegen die Entscheidungen des GöD kann ein auf Rechtsmittel beschränktes Rechtsmittel beim EuG eingelegt werden.
Judikaturdivergenz
Das Bestehen von drei richterlichen Spruchkörpern lässt naturgemäß die Möglichkeit von Judikaturdivergenzen aufkommen. In Vorwegnahme dieser Gefahr überträgt Artikel 225 Absatz 2 EGV dem EuGH die Kompetenz, Rechtsmittelentscheidungen des EuG über Urteile des GöD dann zu überprüfen, wenn "die ernste Gefahr besteht, dass die Einheit oder Kohärenz des Gemeinschaftsrechts berührt wird".
Mitte Dezember 2009 kam es erstmals zu einem solchen Urteil des EuGH in der Rechtssache M gegen Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) (Rs C-197/09 RX II). Herr M, ein Angestellter der EMEA, erlitt einen Arbeitsunfall und wurde berufsunfähig. Sowohl die EMEA als auch das GöD lehnten seinen Antrag ab, den Invaliditätsausschuss mit seinem Fall zu befassen. Das EuG - als Rechtsmittelgericht - hingegen hob die Entscheidung des GöD auf und verurteilte die EMEA zur Zahlung einer Entschädigung an Herrn M, ohne allerdings vorher darüber ein kontradiktorisches Verfahren abgeführt zu haben. Das EuG war nämlich der Meinung, dass der Rechtsstreit gemäß Artikel 61 der Satzung des EuGH bereits "zur Entscheidung reif war". Der EuGH verneinte dies unter Hinweis auf seine Judikatur, hob das Urteil des EuG auf und verwies die Sache an das EuG zur weiteren Verhandlung zurück.