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In Philadelphia hat der Parteitag der Demokraten begonnen. Der Auftakt verlief nicht ganz reibungslos.
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Washington D.C./Philadelphia. Sie sind wenige, aber laut, und nicht nur in Amerika reicht das oft, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, als die Leise-Töner.
Am Montag, vier Uhr Nachmittag, startete der offizielle Teil der in Philadelphia, Pennsylvania, stattfindenden Democratic National Convention (DNC), im Rahmen derer Hillary Clinton offiziell zur Kandidatin der Demokratischen Partei für die Präsidentschaftswahl im Herbst nominiert werden wird. Das Wochenende davor hatte in Sachen medialer Aufmerksamkeit derweil klar den Anhängern von Bernie Sanders gehört. Das nicht obwohl, sondern gerade weil Clinton am Freitagabend - rund 24 Stunden, nachdem Donald Trump die Nominierung der Republikaner fürs Weiße Haus akzeptiert hatte - ihren Vizepräsidentschaftskandidaten bekannt gegeben hatte. Die Wahl Tim Kaines, des amtierenden Senators und Ex-Gouverneurs von Virginia, war alles andere als eine Überraschung. Aber den Sanders-Fans reichte das quasi als letzter Vorwand, in Philadelphia ihrem Zorn auf die Straßen zu tragen. Die eingefleischtesten aller eingefleischten Anhänger des 74-jährigen Senators aus Vermont - von dessen Existenz die meisten von ihnen bis vor einem halben Jahr nichts wussten - wollten es noch einmal allen klar machen, dass es ohne sie nichts werden wird mit der Einheitsfront der Partei im Kampf gegen Donald Trump. Sie marschierten vor und rund um das Wells Fargo Center, hielten da und dort Sit-Ins ab und kündigten jedem, der es hören wollte, einen heißen Tanz im Kampf um die Delegierten an.
Sanders unterstützt Clinton
Die Chancen, dass der tatsächlich eintritt, tendieren allerdings Richtung null. Auch wenn die Vorzeichen angesichts der Geplänkel, die das politische Amerika übers Wochenende beschäftigten, nicht gerade optimistisch stimmen. Sanders machte am Sonntag nochmals persönlich klar, dass er Clinton im Kampf gegen Trump ohne wenn und aber unterstützen werde, auch wenn er mit Kaine nicht wirklich glücklich sei. Er hätte lieber Elizabeth Warren in der Rolle der Stellvertreterin gesehen. Über den neuen E-Mail-Skandal gab er sich indes kaum überrascht. Am Wochenende hatte Wikileaks tausende E-Mails des Democratic National Council veröffentlicht, aus denen hervorging, dass manche Mitglieder des seit 2011 von Debbie Wasserman-Shultz geleiteten, höchsten Führungsgremiums der Partei, bei den Vorwahlen ihre Neutralität verletzt und sich klar für Clinton positioniert hatten.
Von einer Strategie war da die Rede, Sanders' Judentum und seinen vermeintlichen Atheismus gegen ihn zu verwenden (im Werben um religiöse Wähler im Süden) und von der angeblich latenten Gewaltbereitschaft eines Gutteils seiner Anhänger. Was zweifellos eine extrem schlechte Optik ergibt, aber im politischen Kontext wenig verwundern darf. Angesichts der normativen Kraft des Faktischen sollte die Präferenz der DNC-Leute kein Wunder darstellen, war Sanders doch bis vor kurzem kein Mitglied der Partei, sondern hatte sich im Lauf seiner jahrzehntelangen politischen Karriere stets als unabhängiger Kandidat inszeniert. Die Absicht, im Vorfeld der Convention Zwietracht zu streuen, schien trotzdem aufzugehen.
Russische Hacker
Pikant ist die Veröffentlichung der E-Mails auch insofern, als sie allem Anschein nach auf die Arbeit professioneller russischer Hacker zurückgeht. Nachdem Wladimir Putin als großer Fan von Donald Trump gilt - eine Zuneigung, die der New Yorker Immobilienmagnat erwidert - braucht es keine große Fantasie, um Sinn und Zweck hinter der Aktion zu erraten. Auch die Tatsache, dass Paul Manafort, der Wahlkampfmanager Trumps, lange Jahre als Berater für Viktor Janukowitsch arbeitete, den Moskau-treuen Ex-Präsidenten der Ukraine, sorgte bei den Verantwortlichen von Wikileaks offenbar nicht für Misstrauen.
Wasserman-Shultz, eine konservative Demokratin, die seit elf Jahren für den Bundesstaat Florida im Abgeordnetenhaus sitzt und die schon während der Vorwahlen zum Symbol für die Veränderungsresistenz der Partei wurde, ist noch am Wochenende zurückgetreten. Laut dem Fachportal "Politico" brauchte es dafür den persönlichen Einsatz Clintons und den von Barack Obama: Die eine offerierte ihr einen Frühstücksdirektoren-Posten in ihrem Wahlkampf, der andere einen würdigen Abgang im Fall ihres freiwilligen Rückzugs.
Die Elite der Partei steht bereit
Warum die Mehrheit der Demokraten trotz all dem wenig Angst hat, dass Philadelphia für sie zum Fanal wird, liegt indes auf der Hand. Um Sanders, respektive seine Hardcore-Fans, von Beginn an zu besänftigen, durfte er gleich am Montagabend seine Rede halten, zur Prime-Time. Eine kluge Entscheidung des von Ex-Gouverneur Ed Rendell, der grauen Eminenz der Partei in Pennsylvania, angeführten Organisationskomitees. Die Reihenfolge der Redner am ersten Tag der Veranstaltung ist angetan, jeglichen auch noch so kleinen Aufstand im großen Saal des Wells Fargo Center bereits im Keim zu ersticken. Im Anschluss an Sanders setzte die demokratische Führung niemand geringeren als Michelle Obama auf die Rednerliste. Die unausgesprochene, aber klare Überlegung dahinter: Das wollen wir erstmal sehen, wer sich traut, die First Lady auszubuhen.
Eine Tatsache, die im Trubel all der aktuellen Ereignisse ein wenig unterzugehen scheint, aber extrem vielsagend ist: Bei den Demokraten, anders als bei den Republikanern, gibt es praktisch keinen einzigen gewichtigen Politiker, der ferngeblieben ist. Keine derzeitigen und ehemaligen Spitzenkräfte, denen anlässlich des Großereignisses in Philadelphia nicht eine Aufgabe zufällt, vom Präsidenten abwärts. Am Dienstag wird Bill Clinton zu den Delegierten sprechen, am Mittwoch Barack Obama und sein Vize Joe Biden. Dazwischen treten sämtliche Schwergewichte der Partei auf, von Nancy Pelosi, die die demokratische Minderheit im Abgeordnetenhaus anführt, über Harry Reid, dem diese Aufgabe im Senat zufällt - bis zu Elizabeth Warren, der sogenannten Keynote Speakerin, der allein kraft ihrer Persönlichkeit und ihres auch vom politischen Gegner (mit Ausnahme Trumps) geschätzten Intellekts zugetraut wird, die Flügel der Partei zu vereinen. Sie kann nämlich laut und leise.
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